Waschbärdompteur

Nov
17

Fachfrauen

Bald steht mir die letzte Therapeutenstunde bevor. Ich kann jetzt so eine Krankheit nicht wirklich empfehlen, aber so eine Psychotherapie hat manchmal schon was. Nicht, dass es besonders geholfen hätte, aber spannend und witzig war´s jedes Mal.

Ich wusste mir einfach nicht mehr zu helfen und alle Welt schwört ja auf Psychotherapie. Nun saß ich also vor einem durch und durch ätherischen Wesen, das in unbekannten Sphären schwebte. Ich habe im letzten Jahr die komplette Waschbärkollektion gesehen (nein, nicht Kampfhose mit Calvin & Hobbes-T-Shirt, sondern die gefilzte Sorte).

Im Grunde bestand die Therapie darin, dass sich ein Fachmann anhörte, was ich mir so für Gedanken machte und meine neueste Strategie abnickte. Ich war ja total auf mich alleine gestellt, die Hausärztin war auf dem Antidepressiva-Trip, die Heilpraktikerin auf dem Entgiften-Trip und die Wunderheilerin war zumindest einen Versuch Wert. Im Grunde brauchte ich bloß Abstand und Zeit. Und natürlich ein radikales Umstellen meines Lebens. Das weiß ich jetzt, aber damals war ich da ein wenig hilfloser.

Jedenfalls bin ich treu und brav regelmäßig in die Praxis gepilgert und habe mir krampfhaft überlegt, was ich denn jetzt wieder erzählen soll. Die Sitzungen waren dann auch mehr Smalltalk als alles andere, bis die Gutste soweit wieder auf der Erde war, dass sie mich erkannt hat, dauerte ja schon alleine bald eine halbe Stunde.

Letztes Mal hat sie mich ganz begeistert angeschaut und gemeint “Das ist so eine Meisterleistung von Ihnen. Wie Sie da ganz alleine wieder herausgekommen sind! Immer den richtigen Instinkt gehabt und die richtigen Bücher und Denkansätze gefunden – ganz von alleine. Wirklich Hut ab!”. Das hat mich erst mal natürlich stolz wie Bolle gemacht. Was soll ich sagen, sie hat einfach recht. Und ist ja mal schön, wenn das auch jemand anders als man selbst feststellt. Hätte ich mir keine “Hilfe” (Hausarzt) geholt, wäre ich schon sehr viel früher wieder auf den Beinen gewesen. Und ich musste da alleine durch, weil ich entweder bei den falschen Ärzten war oder ein Spezialfall.

So im Nachhinein hat das Lob aber irgendwie einen Beigeschmack. Ist es nicht so, als hätte mich ein Chirurg dafür gelobt, dass ich meinen entzündeten Blinddarm ganz alleine auskuriert habe?

 November 17th, 2010  
 Dompteuse  
 Erkärt mir die Welt  
   
 9 Comments

9 Responses to Fachfrauen

  1. ich habe ähnliche erfahrungen gemacht. war auf der suche nach einem [psycho]therapeuten und habe erstmal überhaupt keinen an die strippe bekommen… das war SOO frustrierend. weil es ein bißchen dringend war, bin ich dann zur psychoberatungsstelle an der uni gegangen, was wenigstens jemand zum reden war. dort war’s aber genauso, wie von dir oben beklagt. nach der zweiten sitzung hat er sich zurückgelehnt, mit lächelnd betrachtet und mir ab und zu gesagt, wie gut er meine ideen und ansätze doch so findet und daß bei mir ja eigentlich alles toll wäre.. -.- ich war SO sauer!!

    dann, beim richtigen therapeuten, war’s nicht ganz so schlimm. aber wenn ich gewußt hätte, daß man innerhalb der ersten sechs sitzungen noch wechseln kann, hätte ich das auch getan. der war irgendwie in den 5oern steckengeblieben, sowohl was mobiliar als auch seine kleidung als auch seine methoden anging ^^.

    • Ganz ehrlich, ich glaube mittlerweile wirklich, dass an der Theorie was dran ist, dass man Therapeut wird, wenn man selber ganz gewaltig eine Macke hat. Mir ist letztens auch eingefallen, dass ich seit einem Jahr auf mindestens 9 Wartelisten stehe – ohne dass sich je jemand gemeldet hätte.

      Ich habe auch noch nie von jemandem gehört, dass sein/ihr Therapeut gut war, wusste, was Sache ist und/oder tatsächlich Hilfestellung gab…

      Man sollte da echt mal ein Buch drüber verfassen ;-)

  2. Darf ich fragen, um welche Krankheit es sich handelt? Ich bin durch Zufall über das Stilhäschen hier gelandet. Und derzeit selber auf der Suche nach Hilfe zu “Wie komm ich hier raus?”… Derzeit noch auf dem Trip, sich nicht zum Hausarzt zu trauen. Vielleicht mal mailen?

    Schöne Grüße und ein tolles Wochenende!

  3. Leider verhält es sich so, dass therapiesuchende Menschen oft viel zu wenig über die diversen psychotherapeutischen Richtungen wissen. Sie haben sich offensichtlich selber aus dem Sumpf gezogen, ich weiß aber auch von Menschen, die an therapeutischer Apathie (nur zuhören, sich nur ja nicht einmischen, auch nicht in Form von Feedback = missverstandene Gesprächstherapie, wobei “Monologtherapie” die treffendere Bezeichnung wäre) schier verzweifelt sind. Ich für meinen Teil würde aufgrund diverser Erfahrungen in meinem Umfeld mittlerweile im Falle des Falles eine Verhaltenstherapie vorziehen.

    • Ich kann diese Verzweiflung gut verstehen. Ich hatte die ganze Zeit im Hinterkopf, was wohl wäre, wenn es einem so richtig übel geht. Kein Wunder, dass so viele Menschen in Kliniken landen und dort nur Medikamente erhalten. Meine Nachbarin ist so ein Falls, steter Kreislauf aus neuer Klinik, neuen Medikamenten und dann wieder Entzug. Das Thema ist zwar ständig in den Medien präsent, aber leider wie so oft ohne jegliche tatsächliche Information.

  4. Irgendwie hast du sowas ja von der ersten Sitzung an gesagt ;-)

    Aber schön wenn die Frau das so erkannt hat!!

    Und ich bin auch sehr stolz auf dich!!!

    HDL

    • Ja, die Theorien reichen von “sind alle so, weil selber die größte Macke” bis “vielleicht tut sie nur so” (definitiv aber nicht).

      *rotwerd* danke :D

      HDAL

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