Ein rant ist ein rant ist ein rant
Ich bin wütend. Ich bin stinksauer. Ich habe Angst. Und ich habe zunehmend das Gefühl, im völlig falschen Film zu sein. Jedenfalls jedes Mal, wenn ich den Fernseher anmache, Zeitung lese, Twitter öffne, mich mit Kollegen unterhalte oder gefühlt auch nur atme.
“Da draußen” ist niemand, der meine Ängste wahrnimmt oder “sich mal mit mir zusammen setzen und reden möchte” oder scheinbar auch nur das schwarze unter seinem Fingernagel für meine Stimme bei irgend einer verfluchten Wahl gibt.
Deutschland wie es jetzt existiert, ist ein junger Staat. Ein Staat, der nach vielen Wirren, Kriegen, Höhepunkten und final dem abscheulichsten Tiefpunkt der menschlichen Existenz entstand. Eine Demokratie, hinter deren Idee ich absolut stehe.
Nazis gab es immer. Die waren anfangs alt und kriegstraumatisiert. Dann glatzköpfig und kriminell. Gefühlt. Jeder Mensch außerhalb dieser überschaubaren Randgruppen lebte einfach in einer Gesellschaft, die bunt war. Der italienische Nachbar. Der türkische Gemüsehändler. Ihr wisst, was ich meine. Ich war als Kind in einer Mutter-Kind-Gruppe, die Hälfte davon waren Türken. Die Mamas hatten Kopftücher auf und kochten total exotische, unfassbar leckere Sachen – und Ende. Ansonsten waren das keine Türken. Keine Ausländer. Keine Anderen. Es waren Umut, Yildiz, Müge und die Mama von Karim und der Papa von Ismael. Später in der Grundschule kamen noch Assunta, Piotr und Fleur dazu. Eine gesunde Demokratie verkraftet auch kranke Anteile.
Damals. In den 1980ern. In der schwäbischen Provinz.
Heute dominieren besorgte Bürger – niemals! es sind nie! Nazis! – die Gesellschaft. Die muss man ernst nehmen! Sind ja ganz normale Bürger! Keine extremistischen, gewaltbereiten Glatzköpfe. Keine schwarz vermummten Krawallos. Einfach mittelalte Menschen, die die Gelegenheit dankbar wahrnehmen, bei einem ganz, ganz harmlosen Spaziergang ihre Meinung kund zu tun. Dass sie das inmitten ultrarechter tun, nunja. Dass sie, anfangs noch gesprächsbereit, auf Nachfragen, womit sie denn so unzufrieden seien, keine wirklich nachvollziehbare Antwort hatten (“GEZ”; “Merkel einfach weg” – ja, aber warum?? Wogegen genau?), geschenkt. Mittlerweile sind sie ja schlauer und reden nicht mehr mit anderen.
Diese besorgten Bürger zünden Asylantenunterkünfte an. Natürlich solange keiner drin wohnt, also ist es ja kein Verbrechen. Und das ist, natürlich, auf gar keinen Fall, rechts, sondern nur Ausdruck von Besorgnis.
Diese besorgten Bürger, die natürlich auf gar keine Fall Faschos sind, sind mittlerweile so viele, dass die Politik Morgenluft wittert. Die Gesellschaft, zum Großteil politikverdrossen, soll endlich wieder an die Urnen. Linke und so denken zu viel und sind unberechenbar. Die gehen nach Frankfurt und finden Kapitalismus nicht gut! Was für Verfassungsfeinde! Wo uns doch der Kapitalismus dahin gebracht hat, wo wir sind. Oder die schicken ihre Kinder auf Gemeinschaftsschulen! Wo soll den da die zukünftige Führungselite herkommen? Nee, nee. Wir müssen unsere Demokratie schon mit voller Härte vor Feinden schützen. Aber diese besorgten Bürger da. Ja, die haben ordentliche Frisuren, sind gewaschen und kommen einem nicht mit veganem Firlefanz!
Da blasen mittlerweile sogar die Grünen ins selbe Horn, völlig vernebelt von Umfragewerten und oh! – unsere Umfragewerte könnten sinken, da werfen wir mal lieber alles Gedankengut, das uns jemals als Grüne auszeichnet, schnell über Bord und halten uns ganz feste die Ohren zu, damit wir unsere innere Stimme, die hoffentlich innen drin ganz leise wispernd noch etwas von Moral und Anstand wimmert, nicht hören müssen, und geifern den extrem gefährlichen Einheitsbrei aus Panikmache vor Asylflut und Weltuntergang.
Selbstverständlich findet ein “besorgter Bürger” das lächerlich. Ich finde das auch lächerlich! Nur gibt es für besorgte Bürger neue Parteien. Für mich nicht.
Ich habe Angst. Angst vor Vereinigungen wie der NSU. Ich habe Angst, weil dem Verfassungsschutz wichtige Akten in den Schredder fallen, ranghohe Polizisten im Ku-Klux-Klan organisiert sind, die Politik daraus nicht wirklich Konsequenzen zieht und die Medien hierüber einfach mal nur sehr, sehr schmal berichten. Ein monströses, beängstigendes Gewirr, das keinen interessiert.
Ich bin wütend. Wütend, weil ich als Frau Alltagssexismus auszuhalten habe, weil ich ansonsten humorlos und vertrocknet bin. Die unsäglichen “Diskussionen” rund um #Aufschrei sind mir noch sehr gut um Kopf. Und wer sich für das Frauenbild in dieser unserer achso schützenswerten Gesellschaft interessiert, frage doch einfach mal Anne Wizorek. Ich brauche und vor allem will ich niemanden, der meine Rechte schützt. Das kann ich gut alleine. Auf gar keinen Fall will ich von solchen Leuten “beschützt” werden.
Ich bin scheißwütend, weil “Asylanten!!!!!!!!” überall allbeherrschendes Thema sind. Erstens: ein großer Teil flüchtet vor einem Krieg. Einem Krieg, der seit Jahren abzusehen war, den halt keiner interessierte. Ergo sind beispielsweise Syrer Bürgerkriegsflüchtlinge. Die ein Bleiberecht nach Genfer Konvention haben. Punkt. Kriegsflüchtlinge! Den Irrsinn, einen Krieg zu erleben, können sich gottseidank nur die wenigstens von uns überhaupt vorstellen!
Zweitens: Andere Flüchtlinge. Repressalien und Verfolgung von Andersdenkenden und deren Familien sind in einem Großteil der Welt leider Gang und Gäbe. Jemand, der wutschäumend “Lügenpresse” geifert, weil er sich falsch zitiert fühlt, sollte eigentlich in diesem Punkt ganz besonders empathisch sein, nicht?
Drittens: Wirtschaftsflüchtlinge. Ach herrje! Jemand sieht sich außerstande, “sein Glück zu machen” und versucht es im vermeintlich Gelobten Land. Möglichkeit a) dieser jemand macht tatsächlich Karriere und hat wirtschaftlichen Erfolg. Glückwunsch! Trägt zum Wachstum unseres Landes bei! b) versagt und wird Sozialfall. Das Geld für den Unterhalt wäre da. Nur ist der Haushalt ein Riesenthema, das einen gesonderten Post verdient. So ganz im Ansatz reicht vielleicht der Gedanke, dass Rüstung und Verteidigung ansich eventuell überdenkenswert sind und Gewinne aus Waffenexporten, die durch Subventionen/Steuervergünstigungen erzielt werden, vielleicht auf der anderen Seite genau die Kriege am Laufen hält, die wiederum Flüchtlinge…. ach, lassen wir das.
Ausländerasylantenfremde sind in erster Linie eines: menschliche Wesen. Gute, schlechte, dumme, schlaue. Menschen wie wir.
Vielleicht sollte man Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte jeden Morgen von der Grundschule an aufsagen, bevor das Tagewerk beginnt:
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.
Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.
Wahlkampf, wie er gerade stattfindet. Berichterstattung, wie sie gerade stattfindet, ist alles, nur nicht sachlich. Und das, was dieses Land Großartiges hervorgebracht hat und das ich als die Wurzel Deutschlands und auch tatsächlich als meine Wurzel betrachte, nämlich der Humanismus, ist schon gleich zu Anfang in dieser Mischung als Polemik, heißer Luft und Populismus erstickt.
Dieser “Wahlkampf” hat dafür gesorgt, dass die Worte “gut” und “Mensch” mittlerweile ein Schimpfwort sind. Diese “Berichterstattung” hat dafür gesorgt, dass angesichts der Verrohung und des Hasses noch nicht mal mehr Bilder von weinenden Kindern für Mitgefühl sorgen. Diese “Gesellschaft” hat sich zu etwas verändert, von dem ich kein Teil mehr sein will.
Nichts Neues
Der Wiedereinstieg ins Bloggen ist gar nicht mal so einfach, wie man annehmen könnte. Um genau zu sein, habe ich mir das so sehr abgewöhnt, dass ich erst mal gefühlt Stunden brauchte, um mich einzuloggen.
Entweder, ich blogge nicht, weil die Welt unterging oder eben, weil so gar nichts los ist. Glücklicherweise war die Blogpause dieses Mal Letzterem geschuldet.
Nach dem ganzen Geschocke von 2013 und dem Kampf von 2014 war das letzte Jahr geprägt von Gesundwerden. Wobei, wenn ein Arzt sagt, man muss Geduld haben, muss man sehr, sehr, SEHR viel Geduld haben. Also nichts für mich. Außerdem ist es gar nicht mal so einfach, sich tatsächlich glutenfrei zu ernähren. Also aus Krankheitsgründen jetzt. Da merkt man wirklich jede klitzekleine Spur (und ich könnte jetzt weit, weit ausholen, wie verbesserungswürdig die Deklarationen auf den Verpackungen im Allgemeinen und die Bestimmungen im Lebensmittelrecht, was Zusatz- und Hilfsstoffe im Speziellen angeht, sind. Tu´ ich aber nicht.) und das Schöne an Zöliakie ist ja, dass die körperlichen Reaktionen nicht an einem Tag durch sind. Nun ja, man lernt dazu. Und wenn ich wieder mal gefrustet bin, wenn ein wohlmeinender Mensch (hauptsächlich berufene, langjährige Hausfrauen – sorry, ist so) meint, mir sagen zu können, was ich eigentlich doch essen darf, dann schreibe ich darüber mal ausführlicher.
Egal. Jedenfalls geht es ingesamt – langsam, ganz langsam – aufwärts.
Ich habe mich stattdessen auf mich konzentriert. Und das ist jetzt wesentlich weniger einfach, als man das gemeinhin so annehmen könnte. Es liegt in der Natur der Sache, dass wenn die Tage (anfangs) nur ganz vereinzelt gut sind, man sich mehr und mehr auf das “Jetzt” konzentriert. Mein Mantra, das mir mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen ist, ist
Ich. Bin. Jetzt.
Die Betonung variiert öfter, aber ich bete ja nicht stur eine Formel herunter, sondern fühle das ja auch.
Womit ich richtig Schwierigkeiten habe, ist allerdings jeder Bereich, der den Körper tangiert. Das merke ich aktuell ganz besonders wieder. Mich hat vor zwei Wochen auch diese Monstergrippe erwischt. Eine Woche lag ich richtig flach. Dann habe ich meinen Osterurlaub vorgezogen und lag nochmal richtig flach. Jetzt geht´s wieder, aber eben noch nicht so wirklich. Ihr kennt das ja, man ist noch wackelig und müde, aber nicht mehr wirklich krank. Nun ist das ja nichts Schlimmes, man schont sich und peu à peu wird man wieder gesund. Nur habe ich ja bevor es mich endgültig umgehauen hat, fast sieben (!!!) Jahre – im wahrsten Sinne des Wortes – nur überlebt, weil ich sämtliche Gebrechen und Symptome ignoriert und die Zähne zusammengebissen habe. Mehr und mehr Symptome, mehr und mehr Zähnezusammenbeißen. Und BÄM!, nichts geht mehr. Ich kann nicht unterscheiden zwischen “harmlos, wird wieder” und “Alarm!”. Ich kann nur wunderbar ignorieren.
Nun könnte man ja anführen, dass das normal ist und alles insgesamt wieder gut wird und dann auch das Körpergefühl zurück kommt. Mag sein. Hoffe ich. ABER: ich bin so geschult in “Körperflucht”, dass ich zum Beispiel massive Probleme mit/beim Meditieren bekomme. Oder Yoga. Oder allem, das entspannen soll, was manchmal dringend nötig ist. Denn: ich kann tatsächlich sämtliche Engel auf der Nadelspitze zählen. Ich kann innerhalb von zwei, drei Atemzügen tatsächlich nur noch eins mit meinem Atem sein, meine Nasenspitze finden, whatever (es gibt so viele Euphemismen, irre!). Aber das ist eben dann total abgespaced. Das funktioniert so dermaßen automatisch, ich habe das nicht im Griff. Ich kann mich nicht “erden”, obwohl ich genau das echt brauchen könnte. Falls ihr da brauchbare Tipps habt, her damit. Wobei, wie gesagt, ich space ruckzuck ab. Konzentration auf die Beine am Boden – zack!, verbunden mit dem Universum und allen Lebewesen und *flieg*. Ich weiß, klingt nach Luxusproblem, aber in der Realität ist das echt strange.
Nun ja. Ich will andererseits ja auch nicht eine von den Menschen werden, die nur noch auf körperliche Signale fixiert sind und bei jedem Zucken im Zeh gleich in der Notaufnahme landen. Für´s Erste lebe ich einfach im Moment, was glücklicherweise wirklich gut klappt und schaue, dass ich mir möglichst viel Gutes tue.
Mein Leben ist sehr reich an Glücksmomenten, aber darüber bloggen? Ich genieße einfach, ich möchte das nicht zerreden. Außerdem finde ich es immer ein wenig befremdlich, wenn ich Auflistungen über Glücksmomente lese. Ich möchte nicht Buch führen. Und warum sollte ich das dann veröffentlichen?
Fleischeslust
1990 aß ich zum letzten Mal Fleisch. Erst aus Tierliebe, dann aus richtigem Ekel, dann weil es mir einfach in Fleisch (haha!) und Blut übergegangen war. Ich habe aber nie missioniert und wenn jemand Fleisch gerne mochte, war das kein Thema, der Charakter zählt. Ich hatte meinen Tanzbereich, die anderen ihren. Das war und ist mir sehr, sehr wichtig: Leben und leben lassen. Ernährungsprogramme, Fach- und Sachbücher oder gar Foren gab es noch nicht.
Es war sogar so, dass ich immer der absolute Exot war und mir von teilweise wildfremden Menschen Vorträge über Gesundheitsnachteile etc. anhören musste oder sich total unbeteiligte Leute berufen fühlten, mich zu meinem ganz persönlichen Lebensstil verhören zu dürfen.
Vegetarisches Essen unterwegs bestand aus: Pommes. Sojaprodukte gab es in ganz speziellen Ökoläden am Arsch der Welt, wurde von merkwürdigen Leuten verkauft, die mich blöde anglotzen weil ich Deo benutze zum Friseur gehe nicht dem in der Prä-Hipster-Phase gängigen Menschenbild entsprach und schmeckte Scheiße. Alles in allem war ich ständig ein Außenseiter – bei den einen, weil ich vermeintlichen Hirngespinsten nachging, bei den anderen, weil ich vergleichsweise tussig aussah.
In den letzten Jahren war ich völlig fasziniert, welchen Stellenwert die Ernährungsgewohnheiten in unserer Gesellschaft eingenommen haben. Ich meine, es geht um Essen! Ein Problem gibt es in meinen Augen erst, wenn jemand kein Essen hat. Jeder, wie er/sie mag. Das einzige, womit ich immer ein Problem hatte (und habe) ist diese Billig-Mentalität. Fleischprodukte zum Spottpreis und das dann täglich mehrfach, das kann nicht in Ordnung sein. Ansonsten ist der Mensch nun mal einfach ein Allesfresser/Raubtier und das ist auch völlig in Ordnung. Wenn auch nicht für mich. Es gibt mittlerweile eine dermaßen große Auswahl an Veggi-Produkten, dass man echt nichts mehr vermisst. Und schief angesehen wird man ja jetzt eher, wenn man sich als Fleischesser outet. Das ganze Ernährungsding hat beinahe religiöse Züge angekommen, die manchmal direkt gruselig sind.
Ich hatte seither zwei körperlich herausfordernde Phasen durchgestanden und die endeten jeweils in einer wahnsinnigen Gier nach Fleisch. Wenn der Waschbär ein Schnitzel auf dem Teller hatte, hätte ich direkt reinbeißen können. Da lag immer noch ein Leichenteil, aber es war nicht mehr eklig. Nur mit äußerster Willenskraft habe ich mich dann vom Fleischessen abhalten können.
Vor exakt 6 Wochen passierte das Gleiche wieder. Unbändige Fleischeslust. Kein bisschen Ekel mehr. Und ich gab ihr nach. Ich meine, mein Körper hat wirklich nach Fleisch gebrüllt. Und wenn mein Körper nach dieser schlimmen Zeit ein Zeichen gibt, höre ich auf ihn. Hätte ja auch gut sein können, dass es mir nicht schmeckt (keine Ahnung mehr, wie Fleisch eigentlich schmeckt). Oder dass mir davon schlecht wird (mein Organismus hat das Fleischverarbeiten vielleicht echt verlernt?). Oder dass ich aus lauter schlechtem Gewissen schlaflose Nächte bekomme (so what).
Nichts dergleichen. Es war unglaublich lecker! Es hat so wunderbar gut getan! Und seitdem: BÄM! Fleischesser. Ich könnte jeden Tag. Und es tut mir gut! Ich weiß, dass meine Nährstoffmängel von anderen Baustellen kamen/kommen. Ich weiß, dass man auch vegetarisch gesund leben kann. Ich weiß nicht, ob das eine Phase ist oder ob ich mich um 180° gedreht habe. Ich weiß nur: das Leben ist kurz. Und wenn dein Körper Signale sendet: hör auf ihn!
Tja. Ich jetzt so. Ich staune über mich selber. Aber solange ich sonst keine merkwürdigen Gelüste entdecke, genieße ich einfach das Leben. Und lecker Essen.
Tadaaaa!
So. Therapie erfolgreich zu Ende gebracht!! Die letzten vier Monate waren wirklich ein harter Ritt, aber hat sich gelohnt – die Erregeranzahl ist auf eine minimale, nicht mehr behandlungsbedürftige Anzahl geschrumpft. Ganz ehrlich, ich war so gerüht, dass ich nasse Augen bekam. Das hat wiederrum meinen Doc so gerührt, dass er, zum ersten Mal seit ich ihn kenne, richtig menschlich wurde. Hach!
Es gibt noch viel mehr zu verbloggen, aber so für´s Erste muss ich mich jetzt freuen, freuen und nochmal freuen
Bis bald ihr Lieben. Hach!
Neues
So ziemlich unmittelbar nach dem letzten Post war alles wieder gut. Jedenfalls hat der Waschbär realisiert, was mich gerade so umtreibt und wie wichtig mir deshalb einige Dinge sind. Das Häuschen wird bald unseres sein. Das bedeutet zwar, den Schwager auszahlen und eine Riesenbaustelle wegen Umbauarbeiten, aber da ist noch ein bisschen hin und mein Zuhause ist sicher.
Relativ spontan kam mir auch die Eingebung, sofort nach Teilzeit zu fragen und nicht erst, wenn ich im Juli die neuesten Blutergebnisse bekomme und die miserabel sind. Natürlich befristet, bis die Tablettenrunde vorbei ist. Relativ geringe Heilungschance heißt ja wohl, dass – wenn auch marginal – eine Heilungschance besteht. Und ich will mir nichts vorwerfen müssen und ich will gesund werden. Die ganze Geschichte ging binnen eines Tages über die Bühne, dienstags habe ich mal unverbindlich in der Personalabteilung nachgefragt, mittwochs hatte ich die Genehmigung.
Wie es immer so ist, war dann Theorie und Praxis doch zweierlei. Anstatt mittags nach Hause zu gehen und zu entspannen, Zeit für mich zu haben, brach der Stress los und ich kam abends total am Ende nach Hause.
Jetzt ist allerdings erst mal Ruhe und ich kann mit Entspannen loslegen. Also, sofern das klappt, wenn man sich´s vornimmt. Ich sehe das aber ziemlich optimistisch. Das wird jetzt erst mal eine Umstellung und ich werde wohl nicht die Nachmittage im Straßencafé verbringen, aber endlich mal so ein bisschen den Kopf frei kriegen und die Dinge gelassener sehen zu können ist auch unendlich wertvoll.
Veränderungen
Ich vermute mal, dass das nicht der einzige Artikel bleibt, der sich damit beschäftigt, wie ich mich verändert habe. Also im doppelten Sinn – sowohl persönlich als auch die Art und Weise.
Ich bin erwachsen geworden. Früher dachte ich immer, das sei das Schlimmste, das einem passieren kann. Jetzt bin ich froh. Ich mag den Menschen, der ich bin. Als “ich” habe ich mich nämlich nie wirklich wahr genommen. Da waren immer Menschen, deren Gefühle wichtiger waren als ich. Da waren Rollenbilder, die ich erfüllen wollte. Meine Bedürfnisse konnte ich schlicht deshalb nie erfüllen, weil ich sie nicht hatte. Oder spürte. Oder mir erlaubte, sie zu spüren. Whatever.
Ich nahm mir zwar oft vor, zukünftig egoistischer zu werden – egoistisch insofern, als ich zuallererst nach mir schauen muss, nicht egoistisch insofern, als andere unwichtig werden – habe das aber nie geschafft. Jetzt mache ich das automatisch. Ich muss nicht nachdenken oder mich zwingen, ich weiß schlicht und ergreifend, dass niemand für mich oder meine Gefühle verantwortlich ist. Genausowenig, wie ich für die Gefühle anderer zuständig bin. Früher habe ich ganz automatisch das gemacht, was den anderen glücklich macht. Einfach, weil ich besser wusste, was anderen guttut, als ich das von mir selber wusste.
Das Tolle daran ist ja, dass das ganz automatisch passiert ist. Ich habe das Häuschen umgestaltet. Mir ist gerade mehr nach cleanem Wohnstil, als nach Romantik. Und ich brauche Klarheit, aber auch Geborgenheit, also habe ich aufgehört, mit Kompromissen zu leben, sondern mir wirklich jede Ecke hier gemütlich und schön gemacht. Weil ich selbst Alltägliches so wirklich genießen und manchmal richtiggehend zelebrieren kann. Eine Zeitschrift beispielsweise liest sich in einer hübschen Leseecke mit Kerzenschein eben doch ganz anders. Ein Stück Lebensqualität.
Überhaupt, Zelebrieren ist mir mittlerweile sehr wichtig geworden. Das Leben ist so verdammt kurz und nichts, wirklich gar nichts, ist sicher. Was habe ich also davon, wenn ich meine Bodylotion von Chanel für die wirklich wichtigen Anlässe aufhebe, mich aber morgen der Schlag trifft? Eben. Ein paar Kerzen beim Duschen, anschließend genussvoll eincremen und schon ist der Abend etwas besonders. Selbst, wenn es nur ein Montag ist. Warum das teure Parfüm aufsparen, wenn man doch gerade im grauen Alltag gut Glamour braucht? Selbst morgens ins Büro gehen ist sagenhaft – nach einem halben Jahr, indem ich nicht mal an die Mülltonnen gehen konnte, ist das ein wunderbares Gefühl. Das teure Geschirr, die tollen Gläser im Schrank stehen lassen? Zu was? Orangensaft aus Weingläsern schmeckt nicht nur, sondern gibt ein gutes Gefühl. Und wenn´s zu Bruch geht – man kann es ersetzen. Lebenszeit und vor allem -qualität nicht.
Es ist glaube ich nicht mal diese Krankheit, beziehungsweise die Art und Weise, wie mit mir umgegangen wurde, die mich so traumatisiert hat (nicht nur), sondern das Wissen, dass unheimlich viel Zeit dadurch einfach verloren ging. Ich bin leider immer noch nicht mobil genug für Museumstouren oder selbst Kinobesuche. Aber ich genieße jeden Augenblick, einfach, weil er kostbar und einzigartig ist. Und schon allein, dass ich das kann, ist schon ein riesiger Fortschritt Nicht mehr abwarten, bis es besser wird, oder mir endlich jemand hilft, sondern genießen, leben und – hoffentlich – wieder ganz auf die Beine kommen.
“Erwachsen sein” heißt für mich: meine Naivität ist verpufft. Ich sehe vieles klarer, kann mich aber entscheiden, ob und wie ich die Welt an mich heranlasse. Nachrichten sind ein Jammertal. Aber indem ich das Leid der Welt auf mich lade, mache ich sie dadurch kein Stück besser. Ebenso habe ich jetzt endlich erkannt, dass der einzige Mensch, der für mich verantwortlich ist, ich bin. Wenn´s hart auf hart kommt, ist man eh auf sich allein gestellt. Es gibt keine Zauberfee, die kurz schnippt und alles gut macht. Nach mir selbst schauen heißt für mich Verantwortung tragen.