Waschbärdompteur

Apr
01

Montagsmenschen

Wieder mal Werbeschlampe für Blogg dein Buch. Und dieses Mal war es leider ein saugutes Buch. Verrisse liegen mir irgendwie mehr.

Dieses Mal habe ich das hier gelesen:

Aus dem Hause Nagel & Kimche.

Zum Inhalt: Immer montags kommen drei Menschen zum Yoga-Kurs. Die Kursleiterin hat ein Problem: Sie hat ihrem Körper immer alles abverlangt, und plötzlich erhält sie eine unheilvolle Diagnose. Aber auch ihre Schüler haben zu kämpfen. Eine ist vom Alltag überfordert und versucht ihm zu entkommen, indem sie freiwillig ins Gefängnis geht. Einer ist in einem reinen Frauenhaushalt aufgewachsen und hat seither mit Frauen seine Mühe. Die Dritte ist dabei, ihren Mann zu verlieren und weiß nicht, ob sie darüber traurig sein soll. Sie alle hoffen im Yoga einen Ruhepunkt für ihr durcheinander geratenes Leben zu finden.

“Montagsmenschen” bezieht sich nicht nur darauf, dass der Yoga-Kurs montags stattfindet, sondern ist eine Metapher für die Kursteilnehmer, die sich – ähnlich wie Montagsautos – für nicht gelungen und kaputt halten. Milena Moser arbeitet die einzelnen Charaktere sehr gut aus. Von Kindheit an sind alle Protagonisten am Kämpfen. Wo andere ganz “normal” aufwuchsen, wurde eine beispielsweise von ihrer bulimischen, neurotischen Mutter auf Leistung gedrillt, während der andere von einer unangepassten Frauen-WG krampfhaft alternativ erzogen wurde.

Von Kindheit an “anders” muss es soweit kommen, dass sich die Defizite in allen Lebenslagen zeigen und die Hauptpersonen sich damit quälen, dass ihr Leben und ihre Lebenseinstellung anders ist, als das der anderen. Sie halten sich für durch und durch schwach und sind doch die eigentlich Starken, die permanent gegen sich selbst kämpfen. Ironischerweise ist ausgerechnet die, die ihnen helfen soll, nämlich die Yoga-Lehrerin, die eigentlich schwache. Der Drill ihrer Kindheit ließ sie zunächst knallhart Ballett bis zur Perfektion trainieren und danach ebenso knallhart und perfektionistisch die Yoga-Ausbildung hinter sich bringen. Erst ihre Krankheit bringt sie dazu, sich selbst als Mensch zu sehen und sich mit den eigenen Schwächen, aber auch Wünschen auseinander zu setzen.

Hätte ich nicht persönlich eine ganz nette, im Leben stehende Yoga-Lehrerin, ich würde jetzt annehmen, dass jeder Yogi das absolute Klischee darstellt. Vom regelmäßigen Einlauf bis zur täglichen Nasenspülung inklusive veganer Ernährung – jedes Klischee wird bedient. Allerdings ist die Yoga-Lehrer-Clique kein bisschen anders als sagen wir Kindergartenmütter, die sich neidisch gegenseitig beäugen und sich selbst im besten Licht darstellen.

Wie gesagt, die Charaktere sind außerordentlich gut herausgearbeitet und herrlich mehrschichtig. Das Buch zieht einen sofort in seinen Bann. Allerdings ist die Quälerei der Protagonisten mit sich und der Welt so intensiv, dass sich beim Lesen teilweise wirklich ein melancholisch-bedrücktes Gefühl breit macht.

Ich vergebe für dieses Buch vier von fünf möglichen Leseratten. Den einen Punkt Abzug gibt´s wirklich für das bedrückende Lesegefühl. Das ist zwar einerseits ein Beweis für das schriftstellerische Können von Frau Moser, aber mir geht sowas nahe. Ganz klare Leseempfehlung!

 April 1st, 2012  
 Dompteuse  
 Leseratte  
   
 4 Comments

4 Responses to Montagsmenschen

  1. Das klingt richtig lesenswert!
    Dir liegen auch gute Kommentare, nicht nur Verrisse. Zumindest mich hast du überzeugt ;)

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