Waschbärdompteur

Nov
11

Bauchgefühle sind Kopfsache

Wie schon im letzten Beitrag angekündigt, betätige ich mich neuerdings als Werbeschlampe bei Blogg dein Buch. Das ist nicht, wie ich irrtümlich dachte, ein Verlag, der ein Blog in Buchform herausbringt, sondern eine wie ich finde geniale Sache. Jedenfalls, wenn man wie ich eine ausgesprochene Leseratte ist und monatlich ein Schweinegeld für frischen Lesestoff liegen lässt. Man meldet sich an, “bewirbt” sich um eine Buchbesprechung und bekommt dann ein Buch geschenkt. Einziger Haken: man muss eine Rezension verfassen. Was eigentlich nicht wirklich nach einem Haken klingt, war in meinem Fall tatsächlich einer. Ich verbuche das einfach mal unter “Generalprobe” und hoffe, das nächste Mal wird so, wie ich mir das vorgestellt habe.

Ich habe mich für ein Buch aus dem Lala-Sektor entschieden. Lala deshalb, weil “Frauenromane” unheimlich Spaß machen können und für einen entspannten Abend sorgen. Ich fange in der Badewanne an mit Lesen, mache damit auf dem Sofa weiter und lese das Buch dann im Bett fertig. Stoff für einen gemütlichen Abend eben. Mein Lala-Buch heißt “Bauchgefühle sind Kopfsache” von Rike Reinau erschienen im EPIDU-Verlag.

Inhaltlich gibt es nicht viel zu sagen. Thirtysomething fliegt liebestechnisch auf die Schnauze und findet beim spaßigen Single-Leben so ganz nebenbei die Liebe fürs Leben. Nichts, das einen überfordern würde. Könnte man meinen.

Um ehrlich zu sein, hätte ich das Buch gekauft, ich hätte es nach den ersten Seiten schreiend in die Ecke geworfen. Die Protagonistin, Florentine, nervt. Und zwar gewaltig. Ich kann nicht mal genau den Finger drauf legen und es an einem Punkt festmachen.

Obwohl Florentine eine erwachsene Frau ist, ist sie erschreckend naiv. Oder auch komplett rückgratlos. So genau weiß ich es nicht, denn bei aller Nabelschau bleibt ihr Charakter – wie auch alle anderen – schrecklich eindimensional. Ein dümmlicher Anmachspruch eines Dorfcasanova reicht beispielsweise, um sie seitenlang über ihre abwehrende Reaktion  darauf nachgrübeln zu lassen. Rike Reinau schafft es hierbei, keinen Hinweis auf das Denken und Fühlen ihrer Hauptperson zu geben. Dieses Analysieren umfasst erst grundsätzlich die ganze Welt. Dann Florentines “seither lief alles falsch, ich mache es jetzt anders”. Wobei auch da nicht klar wird, was denn nun eigentlich seither falsch lief und was Florentine eigentlich vom Leben erwartet.

Nach ihrer gescheiterten “Beziehung” zu Tobias freundet sie sich mit dem Kellner ihres Stammcafés, Phillip, an und verbringt fortan viele harmonische Stunden mit ihm. Wie die “Beziehung” mit diesem Tobias war, bleibt unklar. Es wird nur angedeutet, sie sei keine richtige gewesen. Was “richtig” bedeutet, wird jedoch auch nicht klar. In vielen vermeintlich romantischen Szenen verknallt sie sich in Phillip. Irgendwie. Oder auch nicht. Er reagiert auf eine Umarmung ablehnend, was sie als Anlass nimmt, ihn als Freund betrachten zu wollen. Hier hätte es Stoff für eine nette Geschichte gegeben. Aber da die Hauptfigur abwechselnd Schmetterlinge und dann wieder tiefe Freundschaft empfindet, bleibt die Richtung unklar. Und das ist nicht so spannend, wie es sich anhört.

Ein neuer potenzieller Mister-Right taucht auf – Alexander, der Schauspieler. Da Rike Reinau auch hier konsequent keinen Tiefgang zulässt, weiß man nie, ob sich Florentine jetzt tatsächlich in ihn verliebt hat oder ob er nur ein netter, neuer Bekannter ist.

Die Burner-Romantikszene mit ihm: er lädt sie zur Matinee seines Stückes ein, in dem er eine Hauptrolle spielt  – den Tommi in Pippi Langstrumpf. Lassen Sie das einfach mal auf sich wirken. Sie bekommt einen Platz in der VIP-Lounge mit Sektchen und der Anweisung, nach dem Stück dort auf ihn zu warten. Wo er sie dann in Tommi-Verkleidung mit Tommi-Stimme zum Schaukeln in der Pippi-Kulisse einlädt. Ich schätze, diese Vorstellung von Romantik ist dem Beruf der Autorin, Grundschullehrerin in einer Montessori-Schule, geschuldet. Ich laufe bei so etwas schreiend weg.

Was mich hauptsächlich in den Wahnsinn getrieben hat, mal davon abgesehen, dass keine der Figuren auch nur das geringste Bisschen Charakter besitzt, dass keine erkennbare Handlung vorliegt und dass Florentine in etwa die geistige Reife einer 14jährigen besitzt: sie sammelt Stilmittel. Abgefahren, was? Genauer, sie steht auf contradictios in adiecto (Widerspruch in sich). Was ein dermaßen abgefahrenes Hobby ist, dass es auf jeder Seite zirka fünf Mal Erwähnung findet.

Nun zur Wertung. Da wird es schwer. Ich vergebe eine von fünf möglichen Leseratten. Der Schreibstil ist nicht unintelligent, was leider durchaus nicht selbstverständlich ist. Im Deutschaufsatz hätte es jetzt geheißen, gute Idee, schlecht umgesetzt. Die Autorin verwechselt leider Tiefgang mit Gelaber. Wenn zwei Menschen sich näher kommen und über Liebe reden, möchte ich keinen Exkurs in die Lehren Platons, Aristoteles´, Fromms oder Wemauchimmer lesen. Und nein, “beim nächsten Mann wird alles anders” ist diesem Machwerk hier in keinster Weise auch nur ähnlich.

 

 November 11th, 2011  
 Dompteuse  
 Leseratte  
   
 6 Comments

6 Responses to Bauchgefühle sind Kopfsache

  1. Klasse zerfetzt die Story! Fast besser als “Die Liebe und ihr Henker”. Wahrscheinlich ist “Gelaber statt Tiefgang” das Erfolgsgeheimnis der Leichtigkeit in der Story. Oder was ist Ihr Geheimtipp zu Liebesgeschichte und Tiefgang? Bin echt neugierig…!
    http://wp.me/pJUzK-jW

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

*

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>

*