Waschbärdompteur

Jun
15

Lila Latzhose

Ich kann es nicht. Also emanzipiert sein. Ich bin schlicht zu doof dazu. Ich ging jahrelang durchs Leben und beurteilte Menschen danach, ob ich mit ihnen klarkam oder eben nicht. Da die Menge der Menschen, mit denen ich nicht klarkomme, mehr als überschaubar ist, machte ich mir weiter keine Sorgen.

Dann las ich aus Neugierde die Emma und merkte, ich habe deutlich Defizite. So als Frau. Ich fühle mich nicht als Opfer und betrachte Männer nicht per se als Täter – Fehler eins. Ich kämpfe nicht an allen Fronten gegen Frauenfeindlichkeiten, wie zum Beispiel High Heels – Fehler zwei. So ganz grundsätzlich bin ich zu ungebildet, um überhaupt die ganzen Frauenfeindlichkeiten des täglichen Lebens mitzubekommen. Ich bin ein Ignorant. Wenn ich etwas von unterdrückten Frauen in islamistischen Gesellschaftsformen höre, möchte ich rufen “ist dort nicht grundsätzlich ein Problem mit so ziemlich allen Menschenrechten zu lösen?”.

Sie sehen, ich kann nicht emanzipiert.

Umso erschreckender ist es in letzter Zeit für mich, mich mehr und mehr über die Werbeschaffenden zu echauffieren. Ich bin beinahe soweit, mir tatsächlich eine lila Latzhose zu kaufen. Oder wenigstens diesen blöden, drückenden Bügel-BH zu verbrennen.

Frauenfußball-WM hat nicht den gleichen Stellenwert wie die der Männer. Ist so. Vielleicht ist das ein Vorurteil Frauen gegenüber. Oder ein Vorurteil Männern gegenüber. Eigentlich ist mir das – wie so ziemlich alles zum Thema Fußball – egal. ABER: mit einer Sammelaktion wird grundsätzlich nichts besser. Schon gar nicht, wenn man Muffinbackformen und Tischhussen (immerhin, ich weiß jetzt wenigstens, dass es das gibt) gewinnen kann. Und schon gleich dreimal nicht, wenn die Sammelpunkte auf so genderneutralen Produkten wie Damenbinden und Weichspülern zu finden sind.

Überhaupt, Weichspüler! Ich weiß neuerdings, dass ausschließlich Hausfrauen aus der gehobenen Mittelschicht Weichspüler benutzen. Damit die Lieben sich morgens schon schnurrend am Handtuch reiben können. Die restlichen 99,99 % der Menschheit waschen entweder keine Wäsche oder tragen kratzige, graue Kittel.

Am aller-, allertollsten finde ich allerdings, dass sich seit Beginn der Menschheit gar nichts in der Familienstruktur geändert hat. Mama, Papa und zwei Kinder fahren von A nach B. Kind kackt in die Windel. Papa windet sich, fährt zähneknirschend rechts ran und Mama rennt zum Kofferraum, um das Wickelequipment zu holen. Kinderkacke ist Mamasache, Autofahren Papasache. Ganz klare Fronten.

Ich gehe dann jetzt mal los. Latzhosen anprobieren.

 Juni 15th, 2011  
 Dompteuse  
 Am Rande des Blödsinns, Ich glotz TV, Viva la Diva!  
   
 17 Comments

17 Responses to Lila Latzhose

  1. Hmm.. ich lasse Frau fahren, mache zu hause die Wäsche und den Abwasch, putze durch die Bude und meine Latzhose ist blau-grün. Die trage ich aber eh nur im Garten.
    Ich war im Erziehungsurlaub, nachdem meine älteste Tochter zur Welt kam und habe auch meine jüngeren Kinder gefüttert, gewickelt und was noch dazu gehört.
    Vielleicht wird es Zeit, dass ich mal anfange, mich zu emanzipieren.. ;)

    So aus männlicher Sicht muss ich Dir gestehen, dass mir das durch die Werbung vermittelte Weltbild eigentlich quer am Allerwertesten vorbei geht. So ich denn überhaupt mal hingucke. Ich halte nichts von klassischer Rollenverteilung, bin auch nicht so erzogen worden. Partnerschaften waren für mich immer ein Miteinander, wo einer den anderen in jeder Situation ersetzen oder ergänzen kann und so habe ich es auch meinen Kindern weiter vermittelt.
    Zu “Kampfemanzen” á la Schwarzer habe ich da eher ein gestörtes Verhältnis, die sind für mich keinen Deut besser als Machotypen. Beides inakzeptabel..

  2. Ja das ist doch mal ein toller Artikel! Vielen Dank! :-)
    Ich habe ihn NICHT gelesen, weil ich nicht so der Emma- und Frauenzeitschrifttyp bin. Komischerweise brauchte ich das noch nie.

    Das, was vermutlich einige sehr irritieren wird – ich bin lesbisch aber keine Männerverachterin. Unglaublich, aber wahr! In den Köpfen mancher Menschen (Frauen und Männer!) ein Unding. Deshalb ist Emanzipation für mich auch ein Fremdwort.
    Aber vermutlich wird das heutzutage gebraucht – um das Selbstbewusstsein derer zu stärken, die mit ihrer Situation unzufrieden sind und sich nicht behaupten können (und es vielleicht auch insgeheim nicht WOLLEN, denn einen Schuldigen muss es ja immer geben.)
    Ich hatte noch nie das Bedürfnis, mich zu emanzipieren. Das ging nämlich immer schon von selbst ;-) Jeder ist seines eigenen Glückes Schmid und Emanzipation ist doch nur ein anderes Wort für Selbstbestimmung, und diese Fähigkeit liegt doch allen Menschen zu Grunde. Ob sie sie nun nutzen oder nicht.

    Wer dem Ausdruck verleihen möchte, durch das Sammeln von Tischhussen und Co., der soll das bitte tun. Häuslichkeit ist bestimmt etwas schönes, Frauen haben nun mal das Versorger- und Betüttelgen. Das liegt in ihrer Natur.

    So per se durch dieses Raster zu rutschen, kann aber auch Spaß machen. Deshalb sind meine Latzhosen grundsätzlich immer gestreift, wobei die Farbe Lila ganz wertfrei eine meiner Lieblingsfarben ist. So.

    Und was die Werbung betrifft – sind wir nicht alle ein bisschen bluna?
    Mich kann so etwas gar nicht mehr schocken. Denn seit dem phänomenalen O.B.-Spot weiß ich auch, wo die Menstruation passiert. Nämlich in der Hand ;-) Da wäre ich sonst nie drauf gekommen!
    Und die windelversorgende Mama ist bestimmt begeisterte Emma-Leserin, die sich im Geiste wünscht, auszubrechen und ihren Alten ob seiner Memmenhaftigkeit verflucht. Oder belächelt. Und das regelt sich dann auch irgendwann von selbst, nämlich vorm Scheidungsrichter mit 40, wenn die Dame plötzlich merkt, dass es noch etwas anderes im Leben gibt.
    Also – cool bleiben, die Dinge regeln sich von selbst. Ganz bestimmt. Auch in der Werbung ;-)

    • Vielleicht ist es ja nur eine Phase, aber das FrauenWeltbild, das da gerade suggeriert wird, nervt mich extremst. Mir geht´s da nicht primär um die Frauenrolle, obwohl die gerade so Muttiformen annimmt, das ich mir direkt wünsche, man käme wieder auf die berühmte Nackedei zurück und das ist doch echt zum K***!

      Ich kenne viele Menschen, die – aus Rama-Familiensicht – unkonventionell leben, schwule Pärchen, lesbische Pärchen, Alleinerziehende, gleichwertig Erziehende und Leute wie den Bären und mich. Überall da passt dieses Bild überhaupt nicht und ja, das diskriminiert. Nicht mich als Frau, aber mich in der Rolle als erwachsener, für sich selbst verantwortlicher Mensch.

      “Emanzipation” artet immer gleich so in Krieg aus und jetzt, wo ich so einige Blogs quergelesen habe, leider auch in Faschismus.

      Ich fand den Kontrast irgendwie so krass, da macht man allerorten einen auf “das ist genau dasselbe und wir diskriminieren euch nicht” und dann ausgerechnet diese blöde Sammelaktion, bei der Klischee tatsächlich Klischee übertrifft. Und das in ein paar Sekunden.

      Ich kenne diese Vorurteile von wegen Lesben sind Kampfemanzen. Ich denke aber, schaut man sich die Leute, die das vertreten, mal genauer an, das ist schlicht Ignoranz. Wenn was nicht in die eigene Schublade passt, dann wird´s schnell woanders hingesteckt, Hauptsache, man muss sich nicht damit beschäftigen. Könnte ja den Horizont erweitern ;-)

      Hör mir auf mit Lila! Ich habe festgestellt, dass so ziemlich alles – vom Geschirr bis zur Bettwäsche – lila ist. Nach und nach alles angeschleppt, weil´s einfach schön ist ;-)

      • Ich glaube, Emanzipation fängt einfach dort an, wo sich jemand (eine typisch weibliche Erscheinung) ungerecht behandelt fühlt, und nicht durchsetzen kann.
        Ich gebe zu, ich hatte als Frau nie den Wunsch zum Militär zu gehen, aber ich bin der festen Überzeugung, dass ich alles schaffen kann, wenn ich es nur will.
        Und wenn es damit anfängt, den potentiellen männlichen Part einer Familie zum Windelnwechseln zu bewegen. ;-)
        Was im übrigen – und das finde ich äußert unfair! – heutzutage gar nicht mehr sooo Frauensache ist, wie man hier lesen kann. Und das ist auch nicht das erste, was ich höre.
        Die Gesellschaft verändert sich ja, aber leider gibt es immer noch nach wie vor weibliche Werbejunkies, die gleich ins nächste Geschäft rennen um sich an diversen Sammelpunkt-Aktionen zu beteiligen. Und wenn`s der zehnte Topf ist, den man dann zu Hause stehen hat, Hauptsache es ist halbwegs umsonst!
        Und die Werbestrategie ist doch auch sehr effektiv. Sie bleibt im Kopf, ob man will oder nicht ;-)
        Und ehrlich gesagt – wenn ich mir diese Hornbach-Werbung anschaue, wie die Typen wie die Gestörten durch die Gegend rennen, dann animiert mich das nicht dazu, nächstes Mal selbst mit dem 10er-Schlüssel handwerklich handgreiflich zu werden.
        Auch wenn ich es definitiv könnte ;-)
        Achja – ein nettes Beispiel: Wir haben unseren O.B., dafür haben die Männer Granufink. Ist doch für jeden was dabei! ;-)

        • Ähm, ich meinte, ich finde es unfair, dieses überholte Klischee in Werbestreifen breitzutreten – das meinte ich, und nicht, dass ich es unfair finde, wenn sich Männer zum Windelnwechseln berufen fühlen und sich dieser “Frauensache” widmen.
          Das wollte ich eigentlich sagen. ;-) Mensch, mal wieder zu schnell getippt (und ich erinnere mich wieder – dies ist nicht mein Blog! No Chance to rework my comments! ;-) )

          • Das stimmt eindeutig. Und (gerade) Frauen wehren sich mit aller Vehemenz dann.

            Nicht missverstehen, ich hab aufgeschrieben, wie die Werbung windelwechseltechnisch bei mir ankommt. Das ist ja der Punkt, der mich so aufregt. Mein Schwager zum Beispiel hat von Anfang an gesagt, das Kind ist beider Kind und deshalb arbeiten beide Teilzeit – von Anfang an. Auch der weitere Bekanntenkreis handhabt das in der Art. Tatsächlich kenne ich nur eine Familie, in der das so ähnlich wie im Spot abläuft. Da stimmt doch in der Werbeagentur das Weltbild nicht, wenn man das gezeigte als Standart annimmt?

            Ähem… bei uns ist der Waschbär der Sammeljunkie ;-) Aber Binden und Weichspüler kauft er nun mal einfach nicht…

            Mir geht´s da anders, ich kann vor lauter Aufregung nicht merken, welche Firma das jetzt genau war.

            Werbung animiert mich eigentlich eh ganz selten – meistens dann, wenn´s um Süßigkeiten geht ;-)

    • Meine Lieblingswerbung ist nach wie vor dieser Schwangerschaftstest “die wohl größte Innovation auf die ein Urinstrahl treffen kann” – Mann. Ich habe mich da immer gefragt, wie man es dann nennt, wenn ich auf ein Handy pinkle ;-)

      • Sorry, ich schmeiß mich gerade weg! :-) :-) Da siehste mal, wohin einen die Werbung treibt, wenn wir uns über SOLCHE Dinge Gedanken machen müssen… Ich hab’s gerade meiner Freundin vorgelesen, und sie – soll ich es hier schreiben – treibt es mal wieder auf die Spitze… “Sorry, ich wollte Dich nicht anrufen, ich musste nur mal.” Ähm… Es geht hier weiter ab, aber das wiederhole ich hier jetzt nicht… muss mich erstmal wieder beruhigen… Ist ja ein ernstes Thema hier. ;-)

  3. höh?! auch gerade diesen artikel gelesen *g?…

    schön geschrieben.

    • Nee, aber gerade eben! Danke für den Link :D

      Wobei der ja schon Tendenzen zeigt, auch wieder die Emanzenkeule zu schwingen, das meine ich ja. Mich regt auf, dass das als Lebensmodell so propagiert wird. Ich fühle mich nicht dazu berufen, Frauenbewegung 2.0 zu starten, indem ich zukünftig den Fahrersitz an mich reiße. Mir geht´s da wieder mal ums Ganze, Schwule, Lesben, “normale” Ehepaare, Alleinerziehende… Alle spielen keine Rolle? Und das im 21. Jahrhundert??

      Die blöde Werbung regt mich schon auf, seit sie kommt *narf* Das musste jetzt einfach mal raus ;-)

      • stimmt – wäre mal’ne coole werbung: ein lesbisches paar im auto, hinten kackt das baby, beide schnick-schnack-schnucken darum, wer sich um die dreckige windel kümmern muß ;)

        und zum glück sehe ich im schnitt wohl so 2h pro woche fern ;) – hatte das noch gar nicht gesehen.

        • Oder? Sowas braucht die Welt! Würde doch echt mal Zeit…

          Ich glaube, wenn das so weitergeht, lass ich´s auch sein. Alles wirklich Gute muss man ja eh im Netz suchen ;-)

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