Waschbärdompteur

28
Jan

Nur soviel…

Ja, jetzt auch hier, sorry.

#aufschrei ist eine Aktion, bei der von Sexismus betroffene Frauen ganz persönlich erlebte Situationen schildern. Mehr nicht. Es ist per se kein Anprangern. Kein (Vor-)Verurteilen von Männern. Kein Opferaboding. Keine Schwanz-ab-Diskussion.

Die Vielzahl der Tweets, die unter diesem Hashtag binnen Minuten einschlugen, lassen einigen Spielraum an Schlussfolgerungen zu. Jeder nimmt die Aktion überaus subjektiv wahr.

Was diese Aktion definitiv nicht ist: eine Aufforderung an andere Frauen, sich doch bitte mal ganz groß das eigene Ego aufzublasen, indem man Geschlechtsgenossinnen zu Gänseblümchen, die einfach gerne Opfer sind und/oder zu keifenden Emanzen degradiert, die mit Männern nicht können.

Sexismus existiert. Im Alltag. Je nach Tagesform nimmst du das entweder gar nicht wahr, amüsierst du dich oder regst dich eben drüber auf. Im besten Fall. Keine kauert stundenlang heulend unter der Dusche, weil ihr in der U-Bahn jemand zuzwinkert. Aber “hey Mäuschen, du hast Titten, ich muss dich deshalb nicht ernst nehmen, darf dafür aber Sprüche klopfen wie ich lustig bin” ist eine Einstellung, die man bei manchen Männern durchaus antrifft. Und darauf zu reagieren nervt einfach. Du musst dich irgendwie mit Kackscheiß auf Mario-Barth-Niveau beschäftigen und hast darauf einfach keinen Bock.

Teilweise sind auch fiese Übergriffe von Lehrern/Chefs Thema. Fies deshalb, weil die Karaseks dieser Welt gelernt haben, dass Popo-Grabschen echt nicht geht, den Anschluss an Respekt aber verpasst haben und deshalb eben verbal “zugreifen”. Dies ist so subtil, dass du als Frau nicht mal eben Ohrfeigen verteilen kannst/willst/darfst, dich aber trotzdem missbraucht fühlst.

Und irgendwann tut es gut, das a) ins Internet kotzen zu dürfen und b) festzustellen: es gibt mehr wie mich.

#aufschrei ist erst mal nichts weiter, als türknallend nach Hause zu kommen und eben genau das tun – aufschreien. Dass das auf Twitter so laut geschah, hat gezeigt, dass (Alltags-)Sexismus ein großes Thema ist. Dass das ein sensibles Thema ist. Und dass darüber dringend diskutiert werden muss. Einen #aufschrei-Tweet als Kriegserklärung zu verstehen oder mit “dann wehr dich doch” abzutun ist noch niveauloser als ein weinseliger Brüderle.

Danke, Herm!

 Januar 28th, 2013  
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23
Jan

Besser spät als nie

Einen wunderschönen Tag wünsch ich allerseits. Und gleich noch hinterher – besser spät als nie – ein ganz zauberhaftes, wunderbares neues Jahr!

Ich kann eine Winterpause wirklich nur empfehlen! Wenn man schon arbeitsmäßig der Welt entrückt ist, hilft es ungemein, auch noch den Computerstecker zu ziehen – und schon ist man wirklich komplett im Entspannungsmodus. Gut, es hilft ungemein gegen Entzugserscheinungen, wenn man sich einen fiesen Männerschnupfen erst mal ganz gründlich durch die Nebenhöhlen gehen lässt, aber Weihnachten feiern ist auch komplett überbewertet. Hab ich mir so eingeredet.

Horst-Kevin wurde mittlerweile von mir überwältigt. Der Gute fiel beinahe der gefürchteten Offlinesucht zum Opfer. Aber wie ich festgestellt habe, es ist tierisch spannend, jetzt alle eure Blogs durchzulesen, ihr wart ja ganz schön fleißig. So lob ich mir das.

Also, auf ein Neues! Und genießt den Winter. Und den Nachhall der Feiertage! Und lasst auf gar keinen Fall irgendwie Alltag an euch ran!

 Januar 23rd, 2013  
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 Am Rande des Blödsinns, Dompteuse inside, Horst-Kevin  
   
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21
Dez

Festtagspause

Die nächsten zwei Wochen wird es hier still. Also noch stiller als eh schon. Der Waschbär, die Katzlinge und ich werden unseren Weihnachtsurlaub genießen. Zeitung ignorieren, TV – und was mich betrifft, auch das Internet – aus lassen und einfach nur sein.

Dieses Jahr war… anstrengend. Heftig. Achterbahn. Und ich bin wirklich unheimlich froh, jetzt Zeit und Ruhe zu haben. Die letzten 12 Monate müssen tatsächlich erst mal verarbeitet werden. Und ich muss ganz dringend zur Ruhe kommen und mich erden. Und welche Zeit wäre dafür geeigneter, als die jetzige?

Ich wünsche Ihnen allen ein wunderschönes Fest, fröhliche Feiertage und ganz viel Licht im Herzen!

 Dezember 21st, 2012  
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05
Dez

Abscheu

In den letzten Wochen wurde mein Ekel vor der “Gesellschaft” immer größer. Keine Nachrichtensendung, keine Zeitung/Zeitschrift und auch immer weniger Blogs, ohne dass ich nach deren Konsum einfach nur noch Kotzen möchte.

Wenn in zwei Wochen tatsächlich Schicht im Schacht ist und die Welt von Kopffüssern, Ratten und/oder Kakerlaken bewohnt wird, ist vielleicht endlich intelligentes, soziales Leben auf diesem unserem Planeten möglich.

Montag ging es auf Twitter heiß her wegen Plasbergs Talkshow. Also tat ich mir diese Sendung ausnahmsweise aus purer Neugier an. Dass mal wieder die Homosexuelle-sind-ganz-anders-als-peinlich-vernagelte-CDU-Spinner-Sau durch´s mediale Dorf getrieben wurde, scheiß drauf. In der Kombination werde ich nie einen Konsens finden. Aber Quote machen. Was mich hingegen so massiv gestört hat – neben der unsäglichen Selbstherrlichkeit als Stellvertreter Gottes auf Erden des Martin Lohmann - war das grundsätzliche Weltbild dieser immerhin regierenden Partei.

Mit seiner Parteikollegin Birgit Kelle war er sich – und betonte mehrfach, dass das auch für die Partei im Gros gelte – einig, dass heterosexuelle Beziehungen schon alleine deshalb Heiligenstatus vor dem Staat erlangen, weil daraus Kinder entstünden. Und selbstverständlich könnten Kinder auch nur in “normalen”, heilen Familien zu gesunden, glücklichen, nützlichen Teilen unserer Gesellschaft werden.

Ich möchte mir gar nicht vorstellen, in welcher Welt diese Herrschaften, die für Gesetze in diesem Land verantwortlich sind, leben. In meinem Paralleluniversum gibt es genügend seelische Krüppel, die sich mühselig durchs Leben kämpfen müssen. Weil a) die ach so heilige Papa-Mama-Kind Herrlichkeit hinter der Fassade Züge annahm, gegen die das Gesamtwerk Goyas wie ein Bilderbuch wirkt und b) sich diese ach so fürsorglichen, das Wohl des Kindes bedenkenden Menschen keine Empathie, keine Sensibilität für und absolut kein Interesse an Menschen haben, die keine Leistungsträger sind (Gruß an den Koalitionspartner!).

In meinem Paralleluniversum ist es nämlich so, dass als Kind verletzte, gequälte und mißhandelte Menschen – die kein Staat, kein Gesetz und schon gar nicht ein Nachbar aus der “Gesellschaft” beschützt hat – später genug damit zu tun haben, zu überleben. Jeden Tag wieder. Ich weiß, für christlich, fundamentale, reaktionäre Konservative läuft “psychische Krankheit” – wie auch HIV, Schwulsein, Grün-Sein… - unter “Kinder machen halt nicht immer, was man möchte” und aus. Dass das Leben nach der Kindheit ganz brutal und grausam wird, daran denkt keiner. Warum auch, schließlich müsste sich die Regierung dann auch etwas einfallen lassen, um die Opfer, die sie nie beschützt hat, immerhin finanziell abzusichern. Aber alle Sozialversager einfach in einen Sack stopfen und in die Harz-IV-Schublade stecken ist doch viel einfacher. Immerhin sind die meisten Traumaopfer viel zu sehr mit Überleben beschäftigt, als gegen diese menschenverachtende Maschinerie anzukämpfen. 

Dann gibt es da noch Heulbojen, die auf Mißbrauch (?) aufmerksam machen wollen/müssen und das auf einem hidden Track tun. Seltsam genug. Aber anstatt da mal irgend etwas zu hinterfragen, entsteht ein Shitstorm. Weil angeblich schwulenfeindlich. Aus allen Richtungen am Thema vorbei, aber Hauptsache, jeder konnte seinen Frust ins Web kotzen. Und das liegt nicht an der vielgescholtenen Anonymität – ich muss es leider sagen, Sascha Lobo hat Recht.

Eine Glosse in der Brigitte sorgt für den Shitstorm des Jahres. Eine Glosse. Der Brigitte. Und das nicht mal mehr witzig, weil es wohl doch noch erstaunlich viele Skater gibt. Und die dann auch noch alle Brigitte lesen. Nein, da geht der Hass ab, der weder angemessen noch nachvollziehbar ist.

Die halbe Welt brennt, aber in der Tagesschau ist das neue iPhone der Aufmacher. Kranke Menschen in Deutschland fallen durch das Raster und können sehen, wo sie bleiben – aber die ARD erinnert mich im November ans Sterben. Immer mehr nette, harmlose, schöne Blogs schließen, weil fieses Getrolle irgendwann an die Substanz geht.

Ehrlich, die Welt kotzt mich grade an. Aber so richtig.

 Dezember 5th, 2012  
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04
Dez

STRESS

Vor kurzem habe ich mich wieder einmal mit einer Bekannten unterhalten. Und dabei ist mir aufgefallen, dass es manche Menschen gibt, die permanent gestresst sind. In diesem speziellen Fall weil eben zwei Kinder da sind. Und neben dem Halbtagesjob und dem Familienleben auch noch der Haushalt gemanagt werden muss.

Verstehen Sie mich nicht falsch: jeder hat das Recht, gestresst zu sein. Ab und an. Aber wenn ich mir immer und immer wieder die gleiche Leier anhören muss, nervt mich das gelinde gesagt sehr.

Die meisten von uns – sofern keine Krankheiten oder Schicksalsschläge dies verhindern – sind in der glücklichen Lage, uns unser Leben so zu gestalten, wie wir das wollen. Ich würde nie auf die Idee kommen, jemandem, der gerade über Überlastung – sei es familiär oder beruflich – klagt, zu sagen “du hast es doch so gewollt”. Nichts dämlicher als dieser Satz.

Aber da ist eben dieses Gestresstsein, das ich von den immer gleichen Menschen in der immer gleichen Weise höre. Meine Schwägerin ist seit Geburt ihres ältesten – der jetzt auch schon stolze 12 Lenze zählt – am Rande ihrer Nervenkraft. Halbtagesjob, Haushalt und ihre Erziehungsarbeit machen sie fertig. Erhöhen sie aber auch gleichzeitig über alle anderen Menschen.

Ich möchte mich mit Menschen unterhalten und mich austauschen. Ich bin kein Psychomülleimer (mehr). Und gerade bei entfernten Bekannten/Verwandten verstehe ich auch die Intention nicht so ganz. Wenn ich mal gestresst bin, erfährt das der Waschbär ganz sicher (hey, ich bin auch nur ein Mensch…). Und wenn´s ganz eine üble Phase ist, kotz ich mich auch mal bei der weltbesten Freundin aus.

Aber im Großen und Ganzen bin ich ausgesprochen zufrieden. Ich habe den weltbesten Mann von Universum. Außerordentlich begabte Knuffelkatzlinge. Die weltbeste Freundin ist in der Tat genau das. Mein Patenkind ist einfach dufte und ihre Schwester auch. Meine Freunde sind alle super, jeder auf seine Weise. Ich habe den Luxus, mir meine Zeit so einzuteilen, wie ich das will. Gut, von 8 bis 17 Uhr bin ich grundsätzlich ausgebucht, aber das spült nicht schlecht Geld in die Kasse, das ich ganz alleine dafür raushauen kann, wofür ich will. Dass ich Vollzeit arbeite, bedeutet nicht, dass mein Haushalt wie von Zauberhand erledigt ist, wenn  ich nach Hause komme. Aber ich denke immer, Socken muss jeder waschen, warum sich also darüber beklagen? Oder gar in Wettstreit treten, wie das eine Kollegin mal versucht hatte – wer von uns beiden darf tatsächlich behaupten, sie hätte Hausarbeit zu verrichten…

Würde ich richtig fett Karriere machen wollen, läge es an mir, meine Prioriäten anders zu legen und einfach zu machen. Würde ich im Kinderglück mein Heil vermuten, würde ich welche bekommen. Aber in der Tat: ich habe es so gewollt. Das heißt nicht, dass ich mich nie  beklagen darf und mich mein Job nicht auch mal ankotzt. Aber doch nicht dauernd.

Die weltbeste Freundin hat beispielsweise auch nicht immer das entspannteste Leben. So mit Säugling und Kleinkind, ich würde nach zehn Minuten durchdrehen. Und trotzdem ist sie glücklich. Es ist genau das, was sie wollte. Und wenn ihr alles über den Kopf wächst, kotzt sie sich aus und gut. Ab und an. Weil, im Großen und Ganzen ist ihr Leben genau das, was sie sich vorgestellt hat. Und ein paar Kratzer im Lack gibt es bei jedem, das darf nur nicht das Wesentliche kaputt machen.

Ich weiß nie, wie ich mit solchen Jammerern umgehen soll. Ich kenne die im Prinzip nicht wirklich und will das auch gar nicht. Ich erteile nicht gerne “gute Ratschläge”, schon nicht bei Menschen, die ich nicht kenne. Ich kann doch gar nicht beurteilen, ob die schlecht organisiert sind, hyperaktive Kinder haben oder doch nur eine Profilneurose. Und selbst wenn mir etwas zu einem Thema einfällt, ich kann das doch gar nicht beurteilen. Bei solchen Leuten fällt es mir richtig schwer, nicht das berühmte “du hast es doch so gewollt” rauszuhauen. Vielleicht tue ich es beim nächsten Mal – einfach nur um zu sehen, was dann passiert.

05
Nov

Kuschelsocken für die Seele

Der Waschbär und ich hatten letzte Woche frei. Und Sie ahnen gar nicht, wie gut das tat! Endlich, endlich mal ein Urlaub, der tatsächlich sowas ähnliches wie Batterien aufladen möglich machte.

Schlafen, wann und solange man will. Stundenlang spazieren laufen. Und vor allem: die Welt da draußen ignorieren und sich einfach mal erden. Und gleichzeitig ein Erfolgserlebnis verbuchen: nach vier Jahren weiß ich jetzt endlich, dass und wo es in unserem Dörfchen einen Spielplatz gibt!

Übrigens, falls Sie sich über die Flaute am Samstag gewundert haben: das war exakt die eine Stunde, die mein Waschbär mit einem Drachen über ein Feld rannte…

O. t.: kennt sich hier jemand mit Vitaminen, speziell B-Vitamine aus?

 November 5th, 2012  
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02
Okt

Haltet die Welt an! Einer fehlt!

Wohl nur Dirk Bach schafft es, dass wirklich fast alle Menschen erschüttert sind. Die Nachricht seines Todes hat tatsächlich für kurze Zeit die Welt inne halten lassen – und das ganz egal, wie die Einzelnen sonst so drauf sind.

Er hat mich seit Jahren begleitet. Als Inspiration für genialen Party-Talk. Als Inspiration für Engagement. Als Inspiration für “das eigene Ding mit Humor durchziehen”.

Rock den Himmel!

http://www.youtube.com/watch?v=OXLbatBWCa4

 Oktober 2nd, 2012  
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30
Mai

Auskotzjammercontentweilallesscheißeist

Hätte mir vor drei Jahren, als mir blitzartig ein Schmerz durch den Rücken fuhr und ich den restlichen Tag (Gottseidank Urlaub! Dann kriegt´s keiner mit!) flach auf dem Rücken lag und krampfhaft um Luft rang, jemand gesagt, dass das die Ursache von allem Folgenden ist, würde es mir jetzt definitiv besser gehen.

Also so rein körperlich. Ich gehe jedenfalls davon aus, dass “wir” gerade die Ursache gefunden haben. Immerhin arbeitet es die ganze Zeit im Rücken, hoch und runter, links und rechts. So ganz nebenbei erfahre ich auch, welcher Wirbel für welche Nerven zuständig sind. Du kotzt – Halswirbel. Du erstickst – Brustwirbel. Du schwankst wie besoffen rum – Lendenwirbel. Das dauert glücklicherweise nie lange, ist aber erschreckend heftig. Also so als Fallbeispiel: beim Duschen dreht sich die Welt, man hat das Gefühl, jetzt und auf der Stelle tot umzufallen, verfällt in Panik – und *BÄM* der Hals ist plötzlich beweglich. Das spielt sich innerhalb von nicht mal ein, zwei Minuten ab, ist aber ziemlich heftig. Vor allem aber lässt “es” sich nicht steuern. Da läuft irgend ein Programm im Körper ab und je nachdem, wo ein Widerstand ist, wird der aufgelöst. Unabhängig von Tageszeit, Essen oder sonstigen Faktoren.

Dieses ständige arbeiten im Körper braucht ziemlich viel Energie. Und das schlägt sich auch auf die Stimmung nieder. Sozusagen eine Reise durch die Klischee-Pubertät in zwei Minuten. Das wiederum stresst noch mehr.

Was aber am aller schlimmsten ist und was tatsächlich der Punkt ist, vor dem ich all die Zeit seit damals Angst hatte: mein Kreislauf spinnt. Oder vielmehr, mein Blutdruck ist kaum mehr vorhanden. Und das stresst dann richtig. Letzte Woche lief ich mit einem Minus-Top-Score von 80:40 herum. Wohl gemerkt, das war ein ganz normaler Arbeitstag (soll ja keiner merken!). Mit Besprechungen, Anrufen und hier mal schnell und dort mal schnell. Wenn´s gut läuft, ist er minimal höher, aber das reicht nicht zum Fitsein.

Ich weiß nicht, wo das hinführt. Im Moment überlebe ich so den Tag und freue mich über meine neu gewonnene Beweglichkeit. So grundsätzlich ist allerdings der Alltag so anstrengend, dass ich am liebsten nur noch in eine dunkle Ecke liegen möchte und heulen.

Hätte ich jetzt nicht schon drei Jahre hinter mir, in denen ich einfach eisern die Zähne zusammengebissen habe und “funktioniert” habe (und manchmal hatte es den Anschein, als würde das tatsächlich helfen), ich hätte wesentlich mehr Energie jetzt.

Eigentlich schreibe ich das jetzt auf, weil ich mich a) einfach auskotzen muss und b) weil die einzige hilfreiche Person gerade die Lieblingskollegin ist. Sie weiß, dass gerade nichts geht. Nicht, weil ich keine Lust habe oder weil ich zu faul bin. Sie weiß, wie es gerade in mir aussieht und behandelt mich nicht wie einen Invaliden oder – noch schlimmer – als sei nichts. Ein Blick reicht, und sie übernimmt für mich. Weil ich in dem Moment Sternchen sehe und mich am Tisch festkrallen muss. Ohne Vorwurf, ohne darüber wegzugehen, aber auch ohne mich zu bemitleiden.

Ich weiß, das mir jetzt im Moment keiner helfen kann, weil das einfach seine Zeit braucht. Ich würde mir nur manchmal mehr Menschen wie die Lieblingskollegin wünschen. Weil nicht-ernst-genommen-werden kenne ich schon. Und auch Funktionierenmüssen, damit man lieb gehabt wird (jaja, Erziehung. Gewöhnen Sie sich das mal ab!). Aber das sind zwei Stressfaktoren, für die ich gerade die wenigste Zeit und vor allem Kraft habe. [Es ist schön, dass zum Beispiel der Waschbär mich nicht "aufgegeben" hat. Aber wenn ich mitbekomme, wie er sich mit Freunden verabredet, denke ich, er könnte mir einfach auch eine reinhauen, das wäre nicht so schlimm. Immerhin rufe ja ich dann die Freunde an und sage ab. Wirklich tolles Gefühl.]

Zusammenfassend kann man also sagen, hätte ich meine Ruhe und hätte ich Unterstützung, es wäre nicht weniger heftig, aber ich wäre vielleicht ein ganz kleines bisschen ausgeglichener, um mit dem ganzen Gewirr umzugehen.

 Mai 30th, 2012  
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12
Mai

Grenzlinien

Borderline ist im Grunde eine durch und durch faszinierende Sache. Natürlich nicht für die Betroffenen. Aber von dem her, was im Betroffenen vorgeht, was mit seinen Angehörigen passiert und wie sich das alles auf die Familiendynamik auswirkt, schon.

Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung. Borderliner fühlen im Grunde dasselbe, wie “normale” Menschen, können aber ihre Gefühle nicht zuordnen und reagieren für Dritte irrational. Es gibt verschiedene Formen. Manche suchen offensiv Liebe, andere werden körperlich gewalttätig, manche verletzen mit Worten, wieder andere verletzten sich selbst. Sie alle suchen im Grunde nach Halt und Liebe. Leider ist ihre “Störung” dadurch gekennzeichnet, dass von ihrem – für sie wichtigen – Gegenüber keine konstante Vorstellung haben. Heißt, sie wechseln wild zwischen abgöttischer Liebe und abgrundtiefem Hass.

Ein Borderliner hat panische Angst vor dem Verlassenwerden. Ihre Mitmenschen gelangen sehr leicht in einen Teufelskreis aus Helfenwollen, Versagen und letztendlich in der fatalen Erkenntnis, dass nicht der Borderliner ein Problem hat, sondern der Dritte.

Wenn ein Betroffener einsieht, dass irgend etwas mit ihm nicht stimmt, ist wird es schwierig, weil sich die Forschung um diese “Krankheit” jahrelang nicht gekümmert hat und eben deshalb Therapien schwierig sind. Aber es ist nicht unmöglich.

Meine Familie ist seit Jahrzehnten ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn jegliche Einsicht fehlt. Schon meine Urgroßmutter muss wohl Betroffene gewesen sein, ich weiß aber nicht mehr, als dass ihre fünf Kinder Anfang des 20. Jahrhunderts von fünf Männern waren. Meine Oma ist das “Vorzeigeexemplar” eines Borderliners wie aus dem Lehrbuch. Meine Mutter und ihre Schwester wuchsen mit Hass, Kälte und vor allem körperlichen Misshandlungen auf. Sie gaben sich – wie das jedes Kind tut – selbst die Schuld und daraus wuchs – ebenfalls klassisch – auch bei ihnen diese “Störung”.

Meine Cousine, ihr Bruder und ich sind sozusagen die Summe des ICD-10. Die beiden, weil ihre Mutter die beiden vernachlässigte, um mit hohem Männerverschleiß doch noch Sicherheit zu finden. Ich, weil ich geboren wurde, um meine Mutter endlich zu “heilen” und dabei versagte.

Interessant ist auch, welche Männer mit meinen weiblichen Verwandten Familien gründeten. Nazis, Pädophile, Psychotiker, Depressive und vor allem Alkoholiker.

Seit Jahrzehnten ist dieses verrottete, kaputte, absolut instabile Konstrukt nach Außen völlig normal. Jeder hält sich an ein ungeschriebenes Drehbuch und “spielt” die perfekte, “normale” Familie mit einer Perfektion, die im Laufe der Jahre ein starres Korsett geformt hat. Dass keinerlei Kontakt “nach Außen” besteht, ist hier natürlich Voraussetzung. Es gibt keine befreundete Familien oder weiter entfernt Verwandte, mit denen man sich trifft. Unter der Oberfläche spürt jeder, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Aber im Laufe der Kindheit verschwindet dieses Gefühl. Man akzeptiert, dass man selbst gestört ist. In der Pubertät will man ausbrechen. Nicht aus der Familie, sondern aus der eigenen Unzulänglichkeit und aus dem verstörenden Gefühl, das sich entwickelt, wenn man für die eigenen Eltern eine Enttäuschung und der Grund allen ihren Übels ist, ohne dass man sich eigentlich einer Schuld – außer der eigenen Persönlichkeit – bewusst ist.

All das ist nicht Beweis dafür, dass mit den eigenen Eltern irgend etwas nicht stimmt. Eltern lieben ihre Kinder und sorgen für sie. Eltern wissen, was gut für ihre Kinder ist. Eltern machen keine Fehler. Wenn man nun also ein Kind ist, dass eine Enttäuschung für die eigenen Eltern ist, will man das permanent wieder gut machen. Irgend etwas kann man tun, damit einen die eigenen Eltern endlich lieben und respektieren.

Ausnahmslos alle Familienmitglieder des engeren Kreises haben diese Verwirrung irgendwann ganz fest weiß Gott wo im Bewusstsein eingesperrt, sich ans Drehbuch gehalten und eine Familie gegründet. Wo sich alles wiederholt hat.

Bizarr ist, dass mir erst in den letzten ein, zwei Jahren immer mehr klar wurde und wird, wie abartig und krank meine Familie ist. Ich meine das in der Tat nicht vorwurfsvoll oder gar wütend. Meine Mutter beispielsweise wohnt immer noch im selben Haus wie ihre Mutter. Nur kommunizieren die beiden – wenn überhaupt – nur noch über den Anwalt. Ich fand das nie unnormal. Es ist einerseits erschreckend, aber auch sehr faszinierend, dass ich meine Familie immer für absolut normal gehalten habe. Es gab nie auch nur im Ansatz den Gedanken, dass irgend etwas mit meiner Familie nicht stimmen könnte.

Ich war einfach zu schwach, um dieses Spiel mitzuspielen. Erst Jahre, nachdem ich geheiratet hatte und ausgezogen war, kam ein wenig das Gefühl auf, dass meine Eltern vielleicht ein ganz klein wenig schrullig sind. Nach und nach wurde es für mich immer anstrengender, das Heile-Welt-Spiel aufrecht zu halten. Das Korsett wurde brüchig und alte Verletzungen kamen wieder durch. Und die Erkenntnis, dass es in der Tat so ist, dass meine Mutter mich eben nicht liebt, wie eine Mutter das gemeinhin so tut, sondern dass sie in ihrer eigenen Wahrnehmung gefangen ist, die mit meiner Realität nichts zu tun hat, erzeugte einen Druck, dem ich schlicht nicht mehr stand hielt. Die “Trennung” fand statt, weil ich, von Panikattacken gequält, einfach keine Kraft mehr hatte, um Distanz zu wahren. Oder das, was ich für Distanz hielt. Also bat der Waschbär sie in einem Gespräch ohne mich, mich einfach vier Wochen in Ruhe zu lassen. Was dann folgte war eine Szene, die ich ihm zwar prophezeite, er mir vorher aber nicht glaubte. In ihrer Welt bin ich der Mühlstein, den sie vom Tage meiner Geburt an um den Hals hatte. Sie “belegte” das mit vielen Beispielen, von denen einige absolut normales Verhalten war und andere einfach erfunden. Nicht aus Bösartigkeit, sondern weil sie das tatsächlich so wahrnahm.

Es ist im Grunde wieder total faszinierend, dass ich zwar sämtliche Mechanismen und Denkmuster durchschaue, aber mich lange nicht daraus lösen konnte. Selbst am Tiefpunkt wollte ich eigentlich nicht meine Ruhe für mich und meine Psyche, sondern Absolution von ihr und… ja, vielleicht ein Einsehen? Erst jetzt, zwei Jahre danach, kann ich mich endlich frei(er) fühlen. Ich kann mein Leben tatsächlich leben und den Menschen um mich herum authentisch begegnen, ohne Zwang und ohne das Gefühl, ein Lügner zu sein, weil ich heile Welt spiele. Ich absolviere keine Familientermine mehr, sondern treffe mich mit lieben Menschen, die mir gut tun.

Schlimm ist nur, dass die Cousinenkinder mittlerweile tatsächlich die nächste Generation sind. Ich weiß, wie es dazu kam, dass die beiden so drauf sind, wie sie drauf sind. Ich weiß, wie schrecklich sie sich fühlen. Und ich weiß auch, dass man – jedenfalls im Moment, in der Lage – nichts daran ändern kann. Nicht “von außen”.

 Mai 12th, 2012  
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02
Mai

GeWirbel

Wenn die Ursache für gesundheitliche Turbulenzen nicht wie vermutet psychisch, sondern physisch ist, muss man erst einmal die Strategien, die einem das Aufrechthalten ermöglicht haben, abbauen. Das hat zur Folge, dass man nach drei Jahren K(r)ampf am Ende doch wieder genau an dem Punkt ist, an dem man schon mal war und wo man sich geschworen hat, lieber einen Strick zu kaufen, als “das” noch einmal durchzumachen.

Nun ist es so, dass ich von allen Seiten 24/7 mit Optimistenwattewölkchen bombadiert werde und mir das mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen ist. Irgendwie fühlt “es” sich nämlich im Grunde wirklich gut an. So als würde nun endlich die tatsächliche Ursache angegangen. Und, was am schwersten für mich ist, ganz ohne K(r)ampf. Ohne sich-am-Riemen-reißen und irgend etwas tun. Einfach den Fachmann machen lassen und dem Körper Zeit geben.

 Mai 2nd, 2012  
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