Waschbärdompteur

28
Jun

Sommer.

Wie Sie ja vielleicht schon mitbekommen haben, hasse ich den Sommer. Juni bis August ist absolut nicht meine Jahreszeit und ich mache da auch keinen Hehl daraus. Schön ist immer wieder, dass ich elf Monate (wir haben hier eine ziemlich sonnige Ecke. In Hamburg oder Kiel würde ich das vielleicht besser verstehen können) im Jahr dafür von allen Seiten Unverständnis ernte und mich fühle wie der perverseste Mensch ever. Irgend eine Kreuzung aus Kellerassel und Nosferatu. “Wie bist du denn drauf? Wie kann man Sonne und Wärme nicht mögen?” – Fassungslosigkeit allerorten.

Dabei bin ich nur realistisch. Sommer heißt hier im Südwesten nämlich schwül. Unerträglich schwül. Der Kreislauf verabschiedet sich gleich in Urlaub, die Finger und Zehen schwellen an, Stechmücken sind allzeit bereit und das Hirn ist zu nichts weiter mehr fähig. Allerorten gibt es Menschen, die entweder Urlaub oder einen besonderen Anlass zu feiern haben und deshalb die Nacht mit Alkohol und Freunden im Freien verbringen. Lautstark. Ebenso lautstark kann das Leben mit anderen Menschen ausarten, wenn alle Fenster geöffnet sind, und man das Fernsehprogramm von drei, die Musikauswahl von vier und die Unterhaltungen der restlichen Nachbarn mitbekommt, ob man will oder nicht. Morgens, wenn kurz vor fünf der Tag anfängt, erwacht schlagartig die komplette Vogelwelt und randaliert los. Jedenfalls die Exemplare, die nächtens nicht lautstark von Katzen gemeuchelt werden.

Ich krieche morgens mit zugeschwollenen Augen aus dem Bett, schleppe mich ins Büro, wo ich buchstäblich den ganzen Tag am Schreibtisch festklebe, schleppe mich abends heim und mache außer Lesen nichts mehr, bis ich irgendwann in Tiefschlaf sinke und wie ein Stein schlafe. Am Wochenende ist Flucht ins Freie angesagt, damit ich nicht das Gefühl habe, ich ersticke. Mitbekommen tue ich allerdings nicht viel, weshalb ein Picknickkorb und eine Decke reichen.

Besondere Wohnumstände in meinem ganz persönlichen Fall, wie keinen Garten/Terrasse/Balkon oder zwei Biergärten in inmittelbarer Nachbarschaft zu haben, sind da nur I-Tüpfelchen.

Ich mag den Sommer nicht. Ich lege Schlafmaske, Ohropax und Eisspray für die Beine bereit und mache das beste daraus. Eventuell habe ich Glück, und es springt auch mal ein einfach nur sonniger Tag heraus, an dem man tatsächlich irgend etwas anderes, außer krampfhaft Hecheln, zustande bringt. Ansonsten geht alles vorbei.

Und hier kommt die Pointe des langen Gefasels: ausnahmslos alle, die mich beinahe ganzjährig zum abartigen Freak erklären, jammern im Sommer ohne Ende. Es ist heiß. Sie können nicht schlafen! Überall ist es laut! Ach die Nerven, die sind bei der Hitze wirklich arg dünn. Sie können nicht atmen, geschweige denn denken! Sie Schnakenstiche sind schon keine einfachen Stiche mehr, sondern entzündete Quaddeln. Der Kreislauf spinnt, der Kopf tut weh und die Augen brennen und überhaupt – sie sind alle ausnahmslos Opfer des brutalen Wetters. Und das höre ich mir dann durchgehend an, sobald ich mit anderen Menschen* kommuniziere. Merkwürdig, ich werde nie so schlimm leiden können, wie es die Sommerfans tun.

* an dieser Stelle verleihe ich meinem Waschbären einen dicken, fetten Orden: er ist tatsächlich der einzige, der dieses Wetter liebt. Er blüht tatsächlich auf und entdeckt das Dschungeltier in sich. Auch wenn ich jedes Mal fassungslos bin, wie man sich so wohl fühlen kann, er darf das. Er liebt den Sommer erwiesenermaßen tatsächlich.

27
Jun

Konfetti

Ist da draußen viel zu eklig, um zu denken, geschweige denn, ein tolles Post zu verfassen, deshalb bunte Schnipsel:

  • Samstag auf dem Mittelalterfest heißen Glühwein getrunken,  Crepes mit Zimt & Zucker gefuttert und mir den Bürzel abgefroren. War fast wie Weihnachtsmarkt. Nur nicht so stimmungsvoll.
  • Mein experimentierfreudiger Waschbär hat “kalorienarmes, isotonisches Erfrischungsgetränk mit Kirsche” gekauft – schmeckt so widerlich süß, dass es echt schon wieder lecker ist.
  • Gestern nach fünf Minuten Fußball am Telefon festgequatscht. Fand ich aber nicht tragisch, ich ging davon aus, dass ich das Ergebnis dank allgemeinem Gehupte und Getröte ja mitbekommen würde. Außer dem Zirpen der Grillen war aber nix zu hören. Und das Nachbarskind, das mit seiner Vuvuzela um halb eins die Nachbarn schockt, zähle ich hier nicht.
  • Wenn sich der Magen wie ein säuregefüllter Golfball anfühlt, hilft Sahnetorte. Ich kann es nur empfehlen.
  • Warum werden Falkenbabies so schnell flügge? Endlich denke ich daran, die Kamera mit zu nehmen und die  sind weg?!
26
Mai

Alles Müll!

Ich weiß nicht, woran es liegt, aber ich bin zurzeit eine wandelnde Zeitbombe. Gut, theoretisch ist mir aggro lieber als emo, aber meine Mitmenschen leben im Moment sehr, sehr gefährlich.

Da traf es sich wirklich aufs Genialste, dass ich gestern Post bekam. Vorm Ordnungsamt. Ganz offiziös per Postzustellung. In diesem Schreiben wurde mir mit schönstem Amtsdeutsch unmissverständlich klar gemacht, dass, sollte ich unsere herrenlos im Dorf  herumstehende Mülltonne nicht umgehend entfernen*,  laut zig aufgeführter Paragraphen Unaussprechliches mit mir passieren würde. Inklusive Ordnungsgeld und schlagmichtot.

Und schon schoss der Blutdruck in unendliche Weiten.

Letzten Dezember begab es sich nämlich, dass unsere Mülltonne geklaut wurde. Das stellte in unseren Augen zunächst kein Problem dar. Der Waschbär hat ja dienstags frei und rief dann im örtlichen Ordnungsamt an. Das allerdings nicht zuständig ist in solchen Fällen. Er wandte sich dann ans Landratsamt. Und man weiß, Landratsämter sind riesige Kästen voller Beamter. Das Durchfragen, wer wohl an welcher Stelle zuständig sei, nahm Stunden in Anspruch. Letztendlich brauchte der Waschbär tatsächlich den ganzen Tag, um endlich einen Zuständigen ans Telefon zu bekommen. Und obwohl das Ganze so vielverprechend begann, war die Sache schnell geklärt. Dank eines Chips wurde die alte Tonne gesperrt und zwei Tage später stand die Neue da. Wir haben die dann erst mal – diskret versteht sich, soll ja nicht jeder merken, wem die Tonne gehört (Hello Kitty & wow-Aufkleber eignen sich hier hervorragend) – markiert und der Fall abgehakt.

Nun bin ich wie gesagt zurzeit mehr als aggresiv, weshalb sich der Waschbär heute dieser Sache annahm. Er kann das generell besser, er kann ruhig bleiben. Das bringt einen oft weiter, aber Beherrschung gehört nicht zu meinen Kernkompetenzen.

Er rief deshalb zunächst im Landratsamt an, ließ sich nochmal versichern, dass die alte Tonne tatsächlich gesperrt ist und rief dann die Verfasserin des liebenswürdigen Briefes an. Im Ordnungsamt, das nur für herrenlos herumstehende, nicht jedoch für geklaute Tonnen zuständig ist.

Man hätte momentan ein großes Problem mit vollen Tonnen, die nicht abgeholt werden und das Stadtbild verschandeln. Und endlich, endlich stand da eine Tonne, die gechipt war, herum. Und um ein Exempel zu statuieren wurde eben der erste zu ermittelnde Besitzer mit voller Amtsgewalt versucht klein zu machen. Und, jetzt die Schlusspointe: Der Brief sei absichtlich so aggressiv gehalten, damit wir uns sicher melden.

* der Standort wurde übrigens mit “am xy-Tor” angegeben. Straße, Hausnummer? Fehlanzeige. Weder wir als “Zugezogene”, noch das Landratsamt als die, die die Tonne jetzt abholen wollen/sollen/werden, wissen, wo das sein soll.

 Mai 26th, 2011  
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 Dorfleben  
   
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19
Jan

Out of order

Heute Morgen lief es wie jeden Morgen. Ich schleppte mich aus dem Bett, fütterte die Katzlinge und machte mich dann bürofertig. Bis mich plötzlich so etwas ähnliches wie ein sehr schmerzhafter Krampf im linken Schulterblatt im wahrsten Sinne des Wortes lahm legte. Atmen ging nicht und bewegen erst recht nicht.

Also auf zum Dorf-Druiden. Nachdem ich ein paar Minuten wirklich hübsche Frauenpos bewundert hatte (die Firma mit den blauen Pillen macht ähnliche Kalender wie Autoreifenhersteller), wurde ich hinterrücks langgezogen. Ich wusste nicht, dass meine Wirbel so dermaßen laut kreischen können. Tat aber gut, jedenfalls der Atmung. Die Bewegung wird wohl noch eine ganze Weile nicht funktionieren, aber ich habe ja jetzt Schmerzmittel und darf mir jeden Tag eine Spritze abholen.

Nun saß ich also im Wohnzimmer und machte mir schon Sorgen, wie ich die nächsten Tage so ohne Bewegung aber bei vollem Bewusstsein herumbringen sollte, als die elektronische Entertainment-Einheit ihren Geist aufgab. Immerhin funktioniert das Internet noch.

 Januar 19th, 2011  
 Dompteuse  
 Dorfleben, Jammerlappen  
   
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04
Nov

Urlaubsnebenwirkungen

Ich habe das Gefühl, Urlaub bekommt mir nicht besonders. Nach einem langen, extrem faulen Wochenende mit dem Waschbären startete ich am Dienstag voller bester Vorsätze in den Urlaub. Erholen, und wenn es das Letzte ist, das ich tue.

Nach dem Ausschlafen startete ich zu einem wunderbaren Herbstspaziergang. Die Altstadt ist im herbstlichen Sonnenschein mit massig fallenden Blättern wunderschön. Ich nahm mir Zeit, jedes Schaufenster genau anzuschauen, plauschte mit der netten Nachbarin und knuddelte das Straßenkatzenbaby ausgiebig. Frisch motiviert wusch ich eine Maschine Wäsche, putze die Küche spiegelblank und räumte das Chaos auf. Und ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass es erst halb zwölf war! Vor lauter Schreck fiel ich in Schockstarre und schaltete auf komatösen Modus um. Bis heute Nacht war ich dermaßen weggetreten, ich war mir sicher, nie wieder wach zu werden.

Heute bin ich immerhin im entspannten Urlaubsmodus angekommen. Ausgiebig frühstücken und gemütlich das Web absurfen. Allerdings ist meine Haut auf Make-up-Entzug, ich hatte noch nie so viele Pickel wie im Moment. Das viele Schlafen hat mir Augenringe beschert und meine Jeans kneift. Ich weiß nicht, wie andere das machen, ich sehe jedenfalls sehr urlaubsbedürftig aus.

 November 4th, 2010  
 Dompteuse  
 Dorfleben, Schönheitspflege  
   
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31
Okt

Oidhche Shamhna

Ich habe mich jetzt jahrelang erfolgreich um diese kommerzialisierte Industriescheiße “Halloween” gedrückt. Nicht, dass ich diese Zeit im Jahr nicht feiern würde. Nur eben für mich. Und vor allem leise. Und mit ohne sinnlos Geld ausgeben.

Letztes Jahr allerdings hat die Dorfjugend Toilettenpapier vor unserem Häuschen verbrannt, was mich überzeugt hat, mich nächstes Halloween schokoladentechnisch vorzubereiten.

Das Nachgeben in diesem Punkt tut allerdings nicht halb so weh, wie das Wissen, dass ich ganz viele Milky Ways im Schrank habe. Und die Gier mich seit Freitag drückt. Wehe, es kommt keiner und ich muss dann den ganzen Vorrat alleine futtern!

 Oktober 31st, 2010  
 Dompteuse  
 Am Rande des Blödsinns, Dorfleben  
   
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31
Jul

Partytime

Im Pub nebenan ist heute Live Musik angesagt. Das Repertoire ist angenehmer als alles, was hier sonst so dröhnt (Highlight sind immer die Hochzeiten im Hotel genau nebenan – börks!). Led Zeppelin ist jedenfalls gar nicht mal so übel, selbst wenn Midlife-Crisis-geschüttelte Männer jenseits der 50 am Covern sind. Allerdings frage ich mich langsam, wie oft ich “Stairway to heaven” noch ertrage, bevor es den ultimativen Blutrausch bei mir auslöst.

Einzig “Sweet home Alabama” quält mich. Selbst wenn ich mal mutig genug bin, um im Auto Radio zu hören, kann ich gar nicht schnell genug auf CD schalten, wenn das Lied mal wieder gespielt wird. Schrecklich, egal von wem! Und auch das läuft in der heavy rotation. Ich flüchte dann immer ins Wohnzimmer, Zigarette rauchen und Waschbärs Cowboyfilm ertragen, bevor ich durchdrehe. Wenn das so weitergeht, bin ich bis morgen Kettenraucher…

 Juli 31st, 2010  
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24
Jul

Ringelpietz

Alle zwei Jahre findet hier ein Dorffest statt. Da wir ja mitten in der Altstadt wohnen, bedeutet das so etwas wie Ausnahmezustand. Die ganze Stadt ist entweder zugeparkt oder mit Biertischen und Büdchen vollgestellt. Aber: dank unserer elsässischen Partnerstadt gehören Flammkuchen und Crêpes zu den Grundnahrungsmitteln hier. Und weil es in Altstädten gerne mal ein bisschen enger hergeht, gibt es auch keine Blaskapellen oder ähnlich akustische Körperverletzungen.

Heißt für mich: zur Türe raus, Runde laufen und absolut überfressen wieder heim und mit Schnappatmung auf das Sofa liegen.

 Juli 24th, 2010  
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 Dorfleben  
   
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16
Jul

Hach!

So, Urlaub jetzt. Als Einstieg bin ich bei dem klasse Wetter erst mal im Cabrio ein bisschen spazieren gefahren. Außerdem hatte mein Sonnenbrand von Montag schon ein bisschen nachgelassen. Dann erst mal so richtig Urlaubseinstieg im Eiscafé. Btw gibt es eigentlich eine Vorschrift, dass alle Eiscafés “Dolomiti” heißen müssen?

Jedenfalls habe ich jetzt nicht nur dank meines Erdbeerbechers meinen Vitaminhaushalt auf die Reihe bekommen, sondern mich auch noch köstlich amüsiert.

Ich mag Gruftis sehr gerne. Ist ja heimisches Terrain für mich. Aber es gibt da eine Abart, die ist einfach lustig. Unter zwanzig und ganz, ganz böse. Haben noch nie was von Sisters of Mercy oder Cure gehört, dafür sind sie aber absolute Fans von Marilyn Manson oder – noch schlimmer – HIM. Jedenfalls kam so ein Pärchen in die Eisdiele. Sie schon durch körperliche Masse respekteinflößend, er gerade in der Pubertät, jedenfalls hatte er einen zauseligen, mageren blonden Flaum. Der sah mal so richtig chic im Kontrast zu den rabenschwarzen Haaren aus. Das Knalleraccessoire war aber der Kinderwagen. Ansich sind Kinderwägen ja eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Man wird ja regelmäßig von Kinderwägen gerammt und aus dem Weg gekegelt  (was treib ich mich auch in Fußgängerzonen/Supermärkten/Weihnachtsmärkten/Kaufhäusern…. rum). Dieser war aber speziell getunt: zum noch besseren Freirammen war dieser noch mit einem Dorn dekoriert (ganz, ganz böse). Diese Familie war wirklich faszinierend. Ach, hatte ich erwähnt, dass zum es sich gemütlich machen unbedingt eine Zigarette gehört? Also ich bin ja selbst passionierter Raucher, aber ich dachte ernsthaft kurz darüber nach, ob ich am Nebentisch eine rauchen dürfe. Baby und so. Aber wenn die Mutter so offensichtlich nichts dagegen hat…

 Juli 16th, 2010  
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 Dorfleben  
   
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11
Jul

Alle Jahre wieder…

Hier im Schwabenland wird im Sommer regelmäßig ein größerer Platz, wenn nicht sogar die ganze Altstadt, gesperrt, um Unmengen Biertischgarnituren aufzustellen. Pünktlich mit dem Frühgottesdienst sonntags füllen sich dann die Sitzbänke. Der Grill, der schon jede Menge solcher “Hocketse” (schwäb. da sitzen sie) hinter sich hat, wie man an der Fettschicht, ähnlich wie bei Jahresringen der Bäume, ganz deutlich erkennen kann, brutzelt vor sich hin. Kulinarische Highlights wie Würstchen, Steak und Pommes Frites türmen sich und das Bier fließt schon vormittags in Strömen. Da sitzen dann gut gelaunte Rentner oder auch Vertreter des Prekariats und schunkeln zu den All-Time-Favourites wie dem Ententanz oder dem Schneewalzer. Die Stimmung kocht! Ja, das ist Dolce Vita at it´s best. Gut, dass ich nicht mal das Haus verlassen muss, um daran Teil zu haben. Ein bisschen fühlt sich das an, wie ein National Geographics Berichterstatter sich fühlen muss, wenn er exotische Stämme kennen lernt. Mit großen Augen stehe ich also am Fenster und bin von dieser unbekannten, erschreckenden Kultur der Einheimischen fasziniert.
 Juli 11th, 2010  
 Dompteuse  
 Dorfleben  
   
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