Sommer.
Wie Sie ja vielleicht schon mitbekommen haben, hasse ich den Sommer. Juni bis August ist absolut nicht meine Jahreszeit und ich mache da auch keinen Hehl daraus. Schön ist immer wieder, dass ich elf Monate (wir haben hier eine ziemlich sonnige Ecke. In Hamburg oder Kiel würde ich das vielleicht besser verstehen können) im Jahr dafür von allen Seiten Unverständnis ernte und mich fühle wie der perverseste Mensch ever. Irgend eine Kreuzung aus Kellerassel und Nosferatu. “Wie bist du denn drauf? Wie kann man Sonne und Wärme nicht mögen?” – Fassungslosigkeit allerorten.
Dabei bin ich nur realistisch. Sommer heißt hier im Südwesten nämlich schwül. Unerträglich schwül. Der Kreislauf verabschiedet sich gleich in Urlaub, die Finger und Zehen schwellen an, Stechmücken sind allzeit bereit und das Hirn ist zu nichts weiter mehr fähig. Allerorten gibt es Menschen, die entweder Urlaub oder einen besonderen Anlass zu feiern haben und deshalb die Nacht mit Alkohol und Freunden im Freien verbringen. Lautstark. Ebenso lautstark kann das Leben mit anderen Menschen ausarten, wenn alle Fenster geöffnet sind, und man das Fernsehprogramm von drei, die Musikauswahl von vier und die Unterhaltungen der restlichen Nachbarn mitbekommt, ob man will oder nicht. Morgens, wenn kurz vor fünf der Tag anfängt, erwacht schlagartig die komplette Vogelwelt und randaliert los. Jedenfalls die Exemplare, die nächtens nicht lautstark von Katzen gemeuchelt werden.
Ich krieche morgens mit zugeschwollenen Augen aus dem Bett, schleppe mich ins Büro, wo ich buchstäblich den ganzen Tag am Schreibtisch festklebe, schleppe mich abends heim und mache außer Lesen nichts mehr, bis ich irgendwann in Tiefschlaf sinke und wie ein Stein schlafe. Am Wochenende ist Flucht ins Freie angesagt, damit ich nicht das Gefühl habe, ich ersticke. Mitbekommen tue ich allerdings nicht viel, weshalb ein Picknickkorb und eine Decke reichen.
Besondere Wohnumstände in meinem ganz persönlichen Fall, wie keinen Garten/Terrasse/Balkon oder zwei Biergärten in inmittelbarer Nachbarschaft zu haben, sind da nur I-Tüpfelchen.
Ich mag den Sommer nicht. Ich lege Schlafmaske, Ohropax und Eisspray für die Beine bereit und mache das beste daraus. Eventuell habe ich Glück, und es springt auch mal ein einfach nur sonniger Tag heraus, an dem man tatsächlich irgend etwas anderes, außer krampfhaft Hecheln, zustande bringt. Ansonsten geht alles vorbei.
Und hier kommt die Pointe des langen Gefasels: ausnahmslos alle, die mich beinahe ganzjährig zum abartigen Freak erklären, jammern im Sommer ohne Ende. Es ist heiß. Sie können nicht schlafen! Überall ist es laut! Ach die Nerven, die sind bei der Hitze wirklich arg dünn. Sie können nicht atmen, geschweige denn denken! Sie Schnakenstiche sind schon keine einfachen Stiche mehr, sondern entzündete Quaddeln. Der Kreislauf spinnt, der Kopf tut weh und die Augen brennen und überhaupt – sie sind alle ausnahmslos Opfer des brutalen Wetters. Und das höre ich mir dann durchgehend an, sobald ich mit anderen Menschen* kommuniziere. Merkwürdig, ich werde nie so schlimm leiden können, wie es die Sommerfans tun.
* an dieser Stelle verleihe ich meinem Waschbären einen dicken, fetten Orden: er ist tatsächlich der einzige, der dieses Wetter liebt. Er blüht tatsächlich auf und entdeckt das Dschungeltier in sich. Auch wenn ich jedes Mal fassungslos bin, wie man sich so wohl fühlen kann, er darf das. Er liebt den Sommer erwiesenermaßen tatsächlich.